Nase gut – alles gut? Könnte sein, wenn man einen Blick auf die aktuelle Forschungslage wirft. Expertinnen und Experten vermuten einen Zusammenhang zwischen dem nasalen Mikrobiom, unserem Immunsystem und der Entstehung von Atemwegserkrankungen.
Von Carolin Rosmann
„Ein ,gesundes‘ Nasenmikrobiom zeigt eine große Bakterienvielfalt und scheint auch geografische Unterschiede aufzuweisen.“
Wer kennt das nicht: Die Nase rinnt, der Rachen kratzt, die Glieder schmerzen. Manchmal gesellt sich auch ein ballonkopfartiges Gefühl dazu. Gerade jetzt, wenn die Tage kürzer werden und die Temperaturen fallen, sind grippale Infekte unsere treuen, aber oft lästigen Wegbegleiter. Durchschnittlich zwei bis vier Mal im Jahr erwischt es Erwachsene, Kinder noch wesentlich häufiger. Auslöser ist meistens ein Cocktail aus verschiedenen Viren – meistens Rhino-, Adeno- oder Coronaviren –, die sich im Luftstrom der Atemluft bzw. in feinen Tröpfchen befinden. Die nur 15 bis 300 Nanometer winzigen Quälgeister werden beim Husten und Niesen ausgestoßen und befallen dann die oberen Atemwege wie Nase, Rachen, Luftröhre und Bronchien. Die Erkrankung kann sich auch auf einen der Bereiche wie beispielsweise die Nase beim Schnupfen beschränken. In diesem Fall rötet sich die Nasenschleimhaut und schwillt an. Die Schleimdrüsen produzieren in weiterer Folge den vermehrten wässrigen,
später schleimigen Ausfluss.
Gerade in den Herbst- und Wintermonaten haben die hartnäckigen Viren ein leichtes Spiel, denn einerseits werden die Schleimhäute durch Kälte und trockene Heizungsluft empfindlicher und andererseits wird die Wahrscheinlichkeit der Tröpfchenübertragung größer, je enger wir Menschen zusammenrücken – und das tun wir ganz automatisch, wenn es draußen kalt ist. Wird dann auch noch in der überfüllten Straßenbahn, im Büro oder in der Schule gehustet, geniest und geschnäuzt, ist es selbstredend, dass wir vor den Viren nicht gefeit sind.
Doch unser Körper ist keineswegs schutzlos: Er verfügt über ein hochkomplexes Immunsystem, das rund um die Uhr Eindringlinge erkennt und versucht, diese zu bekämpfen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Schleimhäute – insbesondere jene in der Nase. Sie sind die erste Verteidigungslinie gegen Erreger aus der Luft und haben einen kongenialen, leistungsstarken Verbündeten: das Mikrobiom der Nase.
Effektiver Schutzschild
Doch um „wen“ handelt es sich hier genau? Während wir bei der Abwehr von Krankheitserregern oft an Antikörper, Impfungen oder hochdosiertes Vitamin C und Zink denken, spielt sich ein großer Teil der Immunarbeit direkt an der Oberfläche unseres Körpers ab – dort, wo Viren und Bakterien zuerst auf uns treffen. Die Schleimhäute der Atemwege sind dabei besonders wichtig, da sie die eingeatmete Luft filtern, befeuchten und auch mit einem dichten Netz an Immunzellen ausgestattet sind. Sie beherbergen Milliarden von Mikroorganismen, die in fein austarierter Balance miteinander leben. Dieses sogenannte „Mikrobiom“ ist kein Zufallsprodukt, sondern ein hochspezialisiertes Ökosystem, das uns – meist unbemerkt – schützt.
Interessant ist hier nun im Speziellen das Mikrobiom der Nase, das aus Viren, Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen besteht und sowohl im Naseneingang, in der Nase selbst als auch in den Nasennebenhöhlen zu finden ist. „Ein ,gesundes‘ Nasenmikrobiom zeigt eine große Bakterienvielfalt und scheint auch geografische Unterschiede aufzuweisen. Es ist höchst individuell und unterscheidet sich auch unter den Menschen“, erläutert Dr. Tina Bartosik, Fachärztin für HNO-Heilkunde an der Medizinischen Universität Wien. Außerdem kann es sich bei ein- und derselben Person mit der Zeit auch verändern – vermutlich abhängig von Ernährung, Bewegung, dem Konsum von Nikotin und Alkohol oder Erkrankungen.
Immunregulation
Im Vergleich zu den komplexen Lebensgemeinschaften im Darm, auf der Haut oder in der Mundhöhle ist die Vielfalt in der Nase jedoch deutlich geringer. Trotz dieser geringeren Diversität spielt das nasale Mikrobiom eine wichtige Rolle, wie Bartosik in einer rezenten Publikation ausführlich beschreibt. Die Nase sei ständig Umweltreizen wie Luft, Staub und Allergenen ausgesetzt und diene als zentrale Eintrittspforte für Krankheitserreger. Daher komme den Mikroorganismen in der Nasenschleimhaut eine Schlüsselaufgabe in der lokalen Immunabwehr zu.
Studien legen nahe, dass bestimmte Bakterien wie Corynebacterium und Dolosigranulum das Wachstum krankmachender Keime aktiv unterdrücken können. Darüber hinaus wird dem nasalen Mikrobiom eine regulierende Wirkung auf das Immunsystem zugeschrieben: Es unterstützt das Gleichgewicht zwischen notwendiger Toleranz gegenüber harmlosen Reizen und einer gezielten Abwehrreaktion bei Bedrohungen. Gleichzeitig stärkt es vermutlich die Barrierefunktion der Schleimhaut – ähnlich wie es die Darmflora im Verdauungstrakt tut.
Viel Forschungsarbeit vonnöten
Im Gegensatz zum Darm oder zur Haut steckt die Forschung zum Mikrobiom der Nase aber noch in den Kinderschuhen. „Zurzeit sind die Ergebnisse aufgrund der uneinheitlichen Probengewinnung und geringen Biomasse der Nase schwierig zu interpretieren und zu wenig aussagekräftig. Die Forschung zur Optimierung der Probengewinnung und -aufarbeitung läuft noch; sie wird zukünftige Studien verbessern und hoffentlich mehr Fragen beantworten können“, erklärt Bartosik.
Zwar gibt es Hinweise, dass eine vielfältige und stabile Nasenflora Infektionen abmildern kann – etwa durch das Verdrängen krankmachender Keime –, doch eindeutige Beweise fehlen bislang. „Wie das Immunsystem in der Nase genau agiert, ist trotz großem Studieneinsatz noch nicht ausreichend geklärt“, so Bartosik.
Dennoch: Es wird immer deutlicher, dass die Zusammensetzung des nasalen Mikrobioms eine Rolle bei bestimmten Erkrankungen spielt. So zeigen Studien, dass Menschen mit chronischer Rhinosinusitis häufig eine deutlich geringere Vielfalt an Bakterien in ihrer Nasenflora aufweisen. Eine solche „Dysbiose“ erinnert an ähnliche Beobachtungen aus der Darmforschung, wo ein Rückgang der mikrobiellen Vielfalt mit entzündlichen Darmerkrankungen in Verbindung gebracht wird. Doch wie so oft in der Medizin bleibt die Frage nach Ursache und Wirkung offen: Führt eine verminderte Bakterienvielfalt tatsächlich zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit – oder ist sie vielmehr eine Folge der Erkrankung selbst? Diese „Henne-und-Ei-Frage“ beschäftigt die Forschung, wie Expertin Bartosik betont, derzeit intensiv.
Probiotika – Hoffnung oder Hype?
Forschende arbeiten aktuell auch daran, wie das nasale Mikrobiom noch widerstandsfähiger gemacht werden könnte. Ähnlich wie im Darmbereich setzt man auf Probiotika, basierend auf dem Gedanken, „gute Bakterien“ zuzuführen, um Infektionen besser abzuwehren. „Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die zur ,Stärkung‘ des Mikrobioms und aufgrund ihrer antiinflammatorischen Eigenschaften eingesetzt werden. Sie sollten die Bakterienvielfalt ergänzen und Entzündungen im Einsatzgebiet dämmen“, weiß Bartosik. Erste Präparate sind bereits im Handel erhältlich, doch die wissenschaftliche Datenlage ist bislang ernüchternd: Studien liefern teils widersprüchliche Ergebnisse, und vor allem Langzeituntersuchungen fehlen. Besonders im Fokus stehen Lactobacillen, die man aus der Darmforschung kennt und die auch in der Nase eine Rolle spielen könnten. Doch bisher konnten Forschende nur kurzfristige Veränderungen des Mikrobioms nachweisen, ohne dass sich die Symptome der Patientinnen und Patienten messbar verbesserten.
Als Ersatz für Antibiotika bei akuten Infektionen sind Probiotika derzeit keine Option. Dennoch sehen viele Expertinnen und Experten in ihnen ein spannendes Forschungsfeld, das langfristig neue Wege zur Vorbeugung und Behandlung von Atemwegserkrankungen eröffnen könnte. „Im Bereich der Probiotika erwarten wir noch eine große Entwicklung und optimalerweise auch einen einfachen Therapieansatz zur Optimierung der ,Nasengesundheit‘“, so Bartosik. Ob diese Präparate künftig vor allem zur Vorbeugung eingesetzt werden oder auch therapeutisch bei bestehenden Erkrankungen wirken können, bleibt abzuwarten.
Spannendes Erkundungsfeld
Gleichzeitig richtet sich der Blick zunehmend auf das sogenannte Virom – also die Gesamtheit der Viren, die in unserer Nase leben. „Gerade weil viele Infekte der oberen Atemwege durch Viren ausgelöst werden, eröffnet dieser Forschungszweig spannende Fragen: Gibt es Viren, die dauerhaft in Symbiose mit uns existieren, oder sind sie nur temporäre Gäste? Welche Rolle spielen sie für unsere Gesundheit oder Krankheitsanfälligkeit?“, führt Bartosik aus. „Es bleibt somit spannend, was wir hier zukünftig noch erkunden können.“
Das tut der Nase gut!
- Luftfeuchtigkeit: Regelmäßig lüften oder Luftbefeuchter nutzen, damit die Schleimhäute nicht austrocknen.
- Genug trinken: Flüssigkeit hält die Nasenschleimhaut feucht und widerstandsfähig.
- Sanfte Pflege: Nasenduschen mit Salzlösungen oder Meersalzsprays reinigen schonend, befeuchten die Nase, halten die Schleimhäute intakt und schützen vor Schadstoffen in der Luft.
- Vorsicht bei Sprays: Abschwellende Nasentropfen hingegen sollte man maximal fünf Tage hintereinander nehmen, da die Schleimhäute sonst zu stark austrocknen bzw. die künstlich niedergekämpfte Schwellung bald wiederkehrt. Werden neuerlich Tropfen eingenommen, kann daraus eine chronische Nasenschleimhautentzündung entstehen.
- Reizstoffe meiden: Rauch, starke Düfte oder Chemikalien können die Nase belasten.
- Immunsystem stärken: Ausgewogene Ernährung, Bewegung und ausreichend Schlaf helfen auch der Nasengesundheit.
- Bei Infekten schonen: Bei Erkältungen besser sanft schnäuzen und die Nase regelmäßig mit Salzlösung pflegen, anstatt sie stark zu reizen.
Fotos: zvg, istockphoto/nicoleta ionescu