Das neue Schuljahr ist schon ein paar Wochen alt – und Ihr Kind will nicht so recht in die Gänge kommen, fühlt sich oft schlapp und kann sich schlecht konzentrieren? Vielleicht liegt es an der Ernährung. Neuere Studien und aktuelle Projekte an heimischen Schulen belegen, dass falsches Essen müde und aggressiv, die richtige Jause hingegen fit und schlau macht. Lesen Sie in MEDIZIN POPULÄR, wie Sie Ihrem Kind mit der richtigen „Kopfnahrung“ das Lernen leichter machen können.
Von Mag. Alexandra Wimmer
Jetzt warten die Volksschulkinder in der Wiener Meissnergasse wieder gespannt auf ihr tägliches Jausenkistl: „Welches Weckerl ist wohl heute drin? Welches Obst kriegen wir diesmal?“ Mit entsprechendem Jubel wird die begehrte Kiste, die jeweils von zwei Mitschülern geholt wird, in Empfang genommen. „Gemeinsam jausnen macht Spaß, und es schmeckt auch viel besser“, heißt es unisono. Die Volksschüler mit einer gesunden Jause zu verköstigen, war das erklärte Ziel der Schulleitung, als man im Schuljahr 2006/2007 das Jausenprojekt initiierte, das von „gutessen consulting“, einem Unternehmen für Ernährungsberatung, ein Jahr lang fachlich betreut wurde.
Köstliches für Knirpse
„Weil jeden Tag etwas anderes angeboten wird, ist die Jausenkiste ein sozialer Event“, erzählt die Ernährungswissenschaftlerin Mag. Rosemarie Zehetgruber von „gutessen consulting“. Die kulinarischen Renner? „Besonders beliebt sind Vollkornpizza mit Gemüse und Grahamweckerl mit Käse. Auch Butterweckerln mit Kresse oder Radieschen, also recht einfache Sachen, schmecken den Volksschulkindern besonders gut.“ Wie zahlreiche Befragungen zeigten, ist gesund Essen ansteckend. „Die Einführung der Jausenkiste hat auch Auswirkungen auf jene Kinder, die keine Jause bestellt haben“, so die Ernährungsexpertin. „Sie wollten das, was sie bei den anderen im Kisterl gesehen haben, und wünschten sich von den Eltern öfter Obst und seltener Wurst fürs Jausensackerl.“
Wirkstoff Essen
Weil die richtige Kost nicht nur schmeckt, sondern auch geistig fit macht, sollten Eltern gerade die Jause zum Wohl ihrer (Schul)Kinder nutzen. „Essen wirkt“, betont Rosemarie Zehetgruber. „Was wir essen, hat eine Wirkung auf unseren Körper. Manche Lebensmittel machen müde, andere wiederum aufgeregt und munter.“ Wer den Organismus mit der richtigen Kost versorgt, stärkt außerdem das wichtigste Instrument beim Lernen: das Gehirn. „Das Gehirn macht nur zwei Prozent des Körpergewichts aus, benötigt aber 20 Prozent des gesamten Energieverbrauchs“, veranschaulicht die Ernährungsfachfrau. Für einen klaren Kopf und eine gute Denkleistung benötigt es gesunde, stärkende „Kopfnahrung“.
Brainfood Wasser
Das wichtigste Lebensmittel für kleine (und freilich auch große) Kopfarbeiter ist flüssig: Wasser. „Trinken ist für das Denken das Allerwichtigste. Durst macht müde, Trinken macht munter“, betont Rosemarie Zehetgruber. Selbst wenn die Sprösslinge zu den Frühstücksmuffeln zählen – auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr, sollten sie keinesfalls verzichten. „Kinder sollten in der Früh wenigstens ein Glas Wasser, Milch oder einen gespritzten Saft trinken“, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. „Die Flüssigkeit bewirkt, dass das Blut verdünnt wird und die Nährstoffe besser transportiert werden.“ Der menschliche Körper besteht zu mehr als 60 Prozent aus Wasser. „Schon bei einem Flüssigkeitsmangel von nur zwei Prozent haben wir ein verschlechtertes Kurzzeitgedächtnis und werden müde“, erklärt die Expertin. Kopfschmerzen, über die Schulkinder häufig klagen, lassen sich oft mit einem Glas Wasser beheben.
Nachhaltige Vollkornkost
Neben der Flüssigkeit gelten Kohlenhydrate als besonders effiziente „Kopfnahrung“. „Nur über die Kohlenhydrate kann das Gehirn Energie aufnehmen. Also muss man darauf achten, dass stets genug Blutzucker vorhanden ist“, weiß die Ernährungsexpertin.
Kein Problem, mag jetzt so manche Naschkatze denken und frohlockend eine Extraportion Schokolade einplanen. Der Haken dabei: Nicht die Ein- und Zweifachzucker in Form von Traubenzucker oder Saccharose sind gefragt, sondern die komplexen Vielfachzucker. Mit der Zufuhr dieser Kohlenhydrate steigt der Blutzucker – anders als beim Traubenzucker – langsam und nicht allzu hoch an und bleibt über längere Zeit stabil. „Die lang anhaltende Energie erhält man, indem man z. B. Vollkorngebäck oder Müsli isst“, erklärt Zehetgruber. „Der enthaltene Vielfachzucker wird nur allmählich verdaut und in Zucker abgebaut, der dann kontinuierlich ins Blut geht und das Gehirn nachhaltig versorgt.“ Nicht nur das Vollkorngebäck an sich, auch die Bestreuung bietet wertvolle Nahrung: Als gesunde Draufgabe werten Samen, Leinsamen und Nüsse die Jause zusätzlich auf. „Sie beinhalten wichtige Fettsäuren und Lecithin, die das Gehirn bei der Denkarbeit unterstützen.“
Vitamine und Kalzium
Um auf die empfohlene Menge von fünf Portionen pro Tag zu kommen, sollten die Kinder bereits zum Frühstück und zur Jause Obst bzw. Gemüse essen. „Beides enthält vor allem Vitamine und Mineralstoffe, also jene Wirkstoffe, die der Körper und auch das Gehirn brauchen, außerdem viel Wasser und kein Fett“, weiß Zehetgruber. Zu einem gesunden Pausensnack gehören für die Ernährungsexpertin außerdem Milch und Milchprodukte.
„Milchprodukte sind für den wachsenden Organismus eine gute Kalziumquelle“, sagt sie. Es muss nicht immer das Glas Milch sein: Joghurt, der Käse im Weckerl oder ein Frucht-Milchshake sorgen für gesunde Abwechslung.
Bloß kein Zuckerkick!
Und wie beeinflussen Süßigkeiten das Denkvermögen? „Nach einem kurzen Zuckerkick kommt es bei den Schülern zu Unruhe und eher zu Verhaltensauffälligkeiten, die Leistungsfähigkeit nimmt rasch ab“, berichtet die Schulärztin Dr. Andrea Linzer aus dem steirischen Fürstenfeld. Wer von zuviel Zucker aufgedreht ist, hat weniger Sitzfleisch und beginnt herumzuwetzen. „Süßes ersatzlos zu streichen, funktioniert jedoch nicht“, betont Ernährungswissenschaftlerin Zehetgruber. Stattdessen gilt es, gesunde Alternativen anzubieten. „Bei einem Vollkornkuchen mit Obst geht das Süße langsam ins Blut über, weil das Vollkorn und die Ballaststoffe im Obst den Zucker zurückhalten“, so Zehetgruber. „Für Schulbuffets eignen sich Lebensmittel, die durch den Vollkornanteil, Nüsse oder Obst aufgewertet werden.“
Gesundes Schulbuffet
Beispielgebend für ein gesundes Schulbuffet ist das Bundesschulzentrum in Fürstenfeld: Vollkorntoast statt Cheeseburger, Biogebäck mit gesunden Aufstrichen statt Schnitzelsemmel, Vollkornmuffins mit Beeren statt Schokoriegel und jede Menge knackiges Bioobst: Das Buffet lockt die Mittelschüler aus AHS, BHAK und BHASCH mit einer Vielfalt an nahrhaften Köstlichkeiten. Sehr gut, lobt die Ernährungswissenschaftlerin Zehetgruber: „Bei einem Schulbuffet muss eine gesunde Vorauswahl getroffen werden. Wenn man die Süßigkeiten täglich vor der Nase hat, verlangt man von einem Kind Übermenschliches, soll es stets die gesunde Wahl treffen.“
Angetan von dem gesunden Schulbuffet ist auch Dr. Andrea Linzer, die die Schüler der BHAK und BHASCH im Bundesschulzentrum schulärztlich betreut. „Wenn die Kinder sich bewusst ernähren, ist Übergewicht weniger ein Thema“, beobachtet sie. „Schüler, die Vollkornprodukte, Obst und Gemüse essen, sind außerdem ausgeglichener, weniger unruhig und konzentrierter.“
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Brainfood:
Kopfnahrung fürs Kind
Wenn es sich schlapp fühlt:
Um bei großer Müdigkeit in der Früh leichter in die Gänge zu kommen, hilft etwas Erfrischendes. Als Muntermacher bewähren sich Wasser und Fruchtsäfte, frisches Obst oder ein Jogurt.
Wenn besondere Konzentration gefragt ist:
Milch- und Vollkornprodukte fördern die Konzentration. Empfohlen werden Vollkornbrot, Haferflocken mit Joghurt oder Milch oder andere Haferprodukte.
Wenn es gute Nerven braucht:
Auch wenn man sehr aufgeregt ist, sei es vor einem Referat oder einem Test, sind Milchprodukte ideal. Zusätzlich bieten Nüsse wertvolle Nervennahrung.
Wenn die Laune im Keller ist:
Hat man ein Stimmungstief, weil man eine schwierige Aufgabe erwartet, frustriert oder nicht motiviert ist, empfehlen sich Vollkornbrot bzw. -gebäck, aber auch Nudeln. Sie fördern die Serotoninausschüttung und heben die Stimmung.
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Besseres Essen – bessere Noten
Morgens ohne Frühstück aus dem Haus – das ist die Realität für ein Drittel der Pflichtschulkinder. In der Pause eine Wurstsemmel, auf dem Heimweg eine Pizzaschnitte mit Limo – der Speisezettel vieler Schulkinder lässt zu wünschen übrig. Zu dieser Meinung gelangt auch die EU-Kommission, die nun plant, fett- und zuckerreiche Kost an Schulen zu verbieten.
Aber nicht nur das: Ein Viertel „vergisst“ in der Schule aufs Trinken. Im Lauf des Vormittags kommt es dann zu einem Flüssigkeitsdefizit, das sich in Form von Aufmerksamkeitsproblemen und Kopfschmerzen äußern kann. „Forscherinnen des Forschungsinstituts für Kinderernährung Dortmund haben nachgewiesen, dass das Kurzzeitgedächtnis bei Kindern, die auf Frühstück und Jause verzichten, schlechter ist und dass sie mehr Fehler machen“, weiß die Ernährungswissenschaftlerin Mag. Rosemarie Zehetgruber.
Eine aktuelle kanadische Studie an rund 5000 Schülern bestätigt, dass die Schulleistung auch von der Qualität der Ernährung abhängt. Schüler, die sich abwechslungsreich mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ernährten, schnitten bei einem standardisierten Test im Durchschnitt um 41 Prozent besser ab als jene, die vergleichsweise ungesund verköstigt wurden.
Fazit: Schüler, die den Lernstoff erfolgreich bewältigen möchten, sollten nicht nur ihre Schulbücher, sondern auch den Speisezettel gründlich studieren.
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