Männer sind stark, Männer haben Muskeln und Testosteron. Und Männer gehen nicht gerne zum Arzt. In puncto Vorsorge ist bei Männern noch einiges an Luft nach oben, wie Statistiken und Studien zeigen.
Von Doris Simhofer
Nur knapp eine halbe Million, das sind zwölf Prozent der österreichischen Männer, nahmen 2022 eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch. Sie liegen außerdem mit rund 63 gesunden Lebensjahren unter dem EU-Durchschnitt. Darum ist es wichtig, dass wir das Bewusstsein für präventive Maßnahmen und regelmäßige Gesundheits-Checks stärken – insbesondere bei der männlichen Bevölkerung“, sagt Bernhard Wurzer, Generaldirektor der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK).
Auch der österreichische Gesundheitsbericht zeigt es Schwarz auf Weiß: Männer sind stärker von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes betroffen und sterben häufiger an Verletzungen. Hinzu kommt die stetig steigende Zahl an psychischen Erkrankungen, die oft negiert werden. Das hat allerdings wenig mit dem Y-Chromosom zu tun, denn Männer leben im Vergleich zu Frauen ungesünder und interessieren sich erst für ihre Gesundheit, wenn bereits Feuer am Dach ist.
Wann waren Sie beim Urologen?
Schlechte Frage? Das ist bedenklich, denn nach wie vor ist das Prostatakarzinom die häufigste Krebserkrankung bei Männern. Etwa 24.000 Männer in Österreich erhalten jährlich diese Diagnose. „Das Prostatakarzinom ist eine echte Gesundheitsgefahr, die jedoch durch regelmäßige Untersuchungen frühzeitig erkannt und wirkungsvoll behandelt werden kann. Die Bedeutung regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen für die Prävention von Prostataerkrankungen und die langfristige Verbesserung der Gesundheit und Lebensqualität von Männern kann nicht genug betont werden“, erklärt Dr. Andreas Krauter, Chefarzt der ÖGK. „Seit 1. Jänner 2024 sind das Prostata-MRT und das Coronar-CT in ganz Österreich fester Bestandteil des ÖGK-Leistungskatalogs“, betont ÖGK-Chef Bernhard Wurzer.
Empfindliche Prostata
Eine vergrößerte Prostata ist im Allgemeinen kein Grund zur Panik, diese ist meist gutartig. „Das Problem am Prostatakrebs ist jedoch, dass er sich schleichend entwickelt und zunächst keine Symptome verursacht. Liegen Beschwerden vor, müssen diese in jedem Fall fachärztlich abgeklärt werden“, betont Prof. Dr. Michael Eisenmenger, Facharzt für Urologie und Andrologie in Wien und Bruck an der Leitha: „Allein aufgrund eines erhöhten PSA-Wertes können 80 Prozent der Tumore erkannt werden. Trotz zunehmender Erkrankungsfälle sind die Therapieoptionen weit fortgeschritten, sodass die Sterblichkeit abnimmt. US-Forscherinnen und -Forscher konnten außerdem nachweisen, dass Männer mittleren Alters (40–59) mit stark erhöhten PSA-Werten ein 20-faches Risiko hatten, Prostatakrebs zu entwickeln und daran zu versterben. Bei Männern mit niedrigem PSA-Wert lag dieses Risiko bei 0,6
Prozent.“
Schmerzen durch Nierensteine
Nierensteine sind ein Problem, das vorwiegend Männer betrifft. In Österreich liegt der Anteil bei zirka fünf Prozent der Bevölkerung. Zu wenig Flüssigkeit, zu hoher Konsum an tierischen Proteinen und Salz, Bewegungsmangel, Übergewicht oder eine diabetische Vorerkrankung, aber auch eine genetische Disposition können die Entstehung von Nierensteinen begünstigen, weiß Urologe Eisenmenger: „Nierensteine verursachen unterschiedliche Beschwerden. So etwa kann ein Harnstau zu Blut im Harn oder Infektionen führen. Nierensteine bestehen oft aus Calcium und sind im Röntgen gut erkennbar, liegt das Problem an der Harnsäure, bleiben die Steine meist lange unerkannt.“ Steine im Harntrakt verursachen aber oft langanhaltende Schmerzen oder auch Probleme beim Urinieren. Hier empfiehlt der Experte eine CT-Untersuchung. „Dadurch werden rasch alle Steine sichtbar, auch Steine im Harnleiter. Üblicherweise wird konservativ therapiert, also mithilfe von Schmerzmitteln oder Alphablockern, die den Harnfluss erleichtern. Größere Steine können mit minimal-invasiven Operationen leicht entfernt werden“, so Eisenmenger.
Wenn die Blase überläuft
Es passiert beim Heben, Tragen oder Husten: Unfreiwilliger Harnverlust (Inkontinenz) ist mit starkem Verlust der Lebensqualität verbunden. Während Gesunde kontrollieren können, wann sie zur Toilette müssen, können das Männer mit Dranginkontinenz nicht steuern. „Üblicherweise kann unsere Blase zwischen 150 und 300 ml Harn fassen, erst dann kommt es zu einem Harndrang. Beim Entleeren der Blase zieht sich dieser elastische Muskel zusammen, die Harnröhre erweitert sich, der Beckenboden erschlafft und die Blase wird geleert“, erklärt Michael Eisenmenger. Nicht so bei Inkontinenz-Betroffenen. Zwar tritt dieses Problem bei Frauen und Männern auf, doch für Männer ist es nach wie vor ein Tabu, darüber zu sprechen. Der Facharzt: „Eine genaue Abklärung durch den Urologen, die Urologin lässt eine Unterscheidung zwischen Belastungs- und Dranginkontinenz zu und ermöglicht eine individuell angepasste Therapie. So etwa kann ein gezieltes Blasentraining dazu beitragen, den Schließmuskel der Blase zu stärken. Beckenbodentraining kräftigt diesen und hilft bei Belastungsinkontinenz. Unterstützt wird das Blasentraining durch eine medikamentöse Therapie. Bei Versagen des Beckenbodentrainings helfen kleine operative Eingriffe, um die Kontinenz zu verbessern.“
Hodenschmerzen: viele Ursachen
„Hodenschmerzen können Männer jeden Alters ereilen. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von Infektionen des Hodens und Nebenhodens, Leistenbruch bis hin zu Hodentumoren. Auch eine Hodenverdrehung (Torsion) bei sehr jungen Männern kann zu plötzlichen Schmerzen führen“, fasst Michael Eisenmenger zusammen. Jeder Schmerz sollte vom Facharzt oder der Fachärztin untersucht werden. Einer Diagnose geht eine ausführliche Anamnese voran, eine Ultraschalluntersuchung ist eine Diagnosemöglichkeit, um zu erkennen, welche Ursache dem Schmerz zugrunde liegt. „Schmerzen und Veränderungen des Hodens sind keineswegs immer bösartig. So etwa können eine Nebenhodenentzündung, Leistenbrüche, Nebenhodenzysten oder eine Krampfader des Samenstranges zu tastbaren Veränderungen am Hoden führen.“ Um ein Hodenkarzinom auszuschließen, tastet der Facharzt bzw. die Fachärztin zunächst beide Hoden ab. Eine Ultraschalluntersuchung zeigt, ob kleinere Knoten vorliegen. „Selbst wenn nach eindeutiger Diagnose ein bösartiger Tumor vorliegt, kann dieser entfernt werden. Während der Operation erfolgt ein Schnellschnitt und zeigt, ob es sich tatsächlich um einen bösartigen Tumor handelt. Dabei wird eine Probe entnommen und pathologisch abgeklärt. Handelt es sich um eine bösartige Veränderung, wird der betroffene Hoden entnommen. Auf die Fruchtbarkeit des Mannes hat die Entfernung eines Hodens jedoch keinen wesentlichen Einfluss“, beruhigt Männerarzt Michael Eisenmenger.
Leistenbruch muss behandelt werden
Eine Schwellung im Bereich der Leistengegend oder in den Hoden kann auch Anzeichen eines Leistenbruches sein. Viele Männer haben in diesem Fall Schmerzen, mitunter kann sich ein Leistenbruch aber auch äußern, wenn Schmerzen erst beim Heben oder Pressen der Bauchmuskulatur auftreten. Charakteristisch ist jedoch, dass sich eine kleine Erhebung im Bauchraum ausmachen lässt. Fühlbar ist eine Ausstülpung von Bauchfell und/oder Darmschlingen. Ein Leistenbruch sollte so schnell wie möglich behandelt werden, denn er bildet sich nicht „von selbst“ wieder zurück. Im Gegenteil: Mit zunehmender Belastung werden die Ausstülpungen größer und Schmerzen sind vorprogrammiert. Ein Leistenbruch kann vielfach durch einen laparaskopischen Eingriff, also durch „Schlüsselloch-Chirurgie“, behoben werden. Handelt es sich jedoch um ein fortgeschrittenes Stadium, ist mitunter auch bereits die Bauchwand betroffen. Doch selbst dann ist es möglich, diese „Lücke“ zu schließen. Ein Kunststoffnetz, das im Zuge einer Operation implantiert wird, stabilisiert die Bauchwand.
Tabuthema Hämorrhoiden
Jeder Mensch hat Hämorrhoiden, doch Männer sprechen nicht gerne darüber. Mehr als 70 Prozent der Männer über 30 leiden an der Vergrößerung des an sich normalen schwammartigen Gefäßpolsters, der sich in der Afterregion befindet. Hämorrhoiden setzen sich aus einem Gemisch von Arterien- und Venengeflechten und Bindegewebe zusammen (Plexus hämorrhoidalis). Diese schließen den After ab, können sich aber auch krankhaft verändern. Zur Behandlung stehen konservative (Stadium 1 und 2) oder operative Behandlungsmöglichkeiten (Stadium 3 und 4) zur Verfügung. Je nach Stadium entscheidet der Podologe oder Chirurg gemeinsam mit dem Betroffenen, welche Behandlung sinnvoll ist.
Herz außer Takt
Engegefühl und Schmerzen in der Brust, Ziehen zwischen den Schulterblättern und im linken Arm, Atemnot und Todesangst sind typische Symptome eines akuten Herzinfarktes. Generell haben Männer kein höheres Risiko für einen Herzinfarkt als Frauen. Jedoch ist das männliche Geschlecht statistisch im Schnitt zehn bis 15 Jahre früher gefährdet als das weibliche, da Frauen aufgrund ihrer speziellen
Hormonkonstellation bis zur Menopause einen besseren Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Dr. Lukas Fiedler, Oberarzt an der Abteilung für Innere Medizin, Kardiologie und Nephrologie am Landesklinikum Wiener Neustadt: „Zu den Risikofaktoren für einen Herzinfarkt gehören unter anderem eine familiäre Disposition, Übergewicht und/oder Diabetes und/oder Bluthochdruck sowie Rauchen.“ Die Diagnose betrifft häufig Männer im „besten Alter“ zwischen 40 und 50 Jahren, die voll im Beruf stehen – oft in einer verantwortungsvollen oder leitenden Position. Ihr Alltag ist geprägt von einem ungeregelten Tagesablauf, viel (Dauer-)Stress und (psychischem) Druck. All dies sind Faktoren, die über die Jahre unbemerkt Kalkeinlagerungen in den Gefäßen begünstigen und diese schließlich verengen. „Ein hohes Risikobewusstsein ist wesentlich. So etwa haben Raucher ein drei Mal höheres Risiko und Menschen mit hohem Blutdruck (höher als 130:80) und erhöhten Blutfettwerten ein zwei Mal höheres Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden als Menschen ohne diese Faktoren.“
Die Psyche leidet still
„Männer neigen dazu, körperliche Symptome vorzuschieben, und so wird die zugrundeliegende Depression oft übersehen“, warnt Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek vom Anton-Proksch-Institut. Laut Musalek ist die Depression durch ein „Losigkeitssyndrom“ charakterisiert, wozu unter anderem Lustlosigkeit, Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit, Interesse-losigkeit, Appetitlosigkeit und Aussichtslosigkeit zählen. Am wichtigsten wäre Prävention. Hier könnte am Arbeitsplatz enorm viel geleistet werden, so Musalek im Zuge des Weltkongresses der Psychiatrie 2023. Besonders Krisen wie Pandemie, Krieg und Teuerung verursachen Angststörungen und Depressionen. „Psychische Erkrankungen werden nach wie vor oft tabuisiert“, bestätigt auch Kongressmitorganisator Johannes Wancata, der dazu eine Studie an der MedUni Wien durchgeführt hat. Depressionen kommen bei Männern seltener vor, allerdings zählen Job- oder Partnerschaftsverlust bei Männern zu den Risikofaktoren. Außerdem kommen bei Männern Reizbarkeit, Aggressivität oder Risiko- sowie Suchtverhalten hinzu, die eine Depression überschatten können. „Es ist unumstritten, dass regelmäßige sportliche Aktivität einen gesunden Lebensstil wesentlich beeinflusst. Schon täglich rund 15 Minuten Ausdauerbewegung können die Lebenserwartung signifikant um bis zu drei Jahre verlängern“, zitiert Wancata aus der Studie. Spätestens ab dem 30. bis 45. Lebensjahr sollten Männer Wert legen auf kontinuierliche regelmäßige sportliche Betätigung bis ins hohe Alter, um den gesundheitsschädlichen Folgen von Lebensstilfaktoren wie zum Beispiel Rauchen, Übergewicht oder vermehrtem Alkoholkonsum entgegenzuwirken.
Hodenkrebs erkennen:
Um Hodenkrebs zu erkennen, sollten Männer ihre Hoden einmal im Monat abtasten. Betasten Sie Ihre Hoden von unten und rollen Sie diese hin und her. Dabei können bereits kleinste Veränderungen festgestellt werden. Übrigens: Hoden sind nicht exakt gleich gebaut, eine verschiedene Größen- und Gewichtsdifferenz ist völlig normal. Sind die Hoden geschwollen oder vergrößert, sollten Sie diese Veränderungen im Auge behalten bzw. einen Facharzt oder eine Fachärztin aufsuchen, wenn weitere Beschwerden bestehen. Wichtig ist, dass jeder Mann ab dem 15. Lebensjahr die Selbstuntersuchung in seine morgendliche Hygiene einbaut.
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