Nein, prinzipiell nicht. Aber sie neigen dazu, Beschwerden lange Zeit zu verharmlosen.
von Mag. Silvia Feffer-Holik
Solange der Körper funktioniert – im Job, bei Extremsportarten, beim Sex – besteht für viele Männer kein Handlungsbedarf. Auch erste Alarmzeichen werden gerne ignoriert: Schmerzen, stressbedingte Erschöpfung oder auch Luftnot sind vielfach keine „wirklichen“ Gründe, gleich zum Arzt „zu rennen“. Je jünger Männer sind, desto seltener suchen sie ärztliche Hilfe, sei es aus Angst vor der Diagnose oder auch, weil es mit dem Eigenbild von „fit, stark und leistungsfähig“ nicht zusammenpasst.
Hingegen ist die Versuchung groß, das körperliche Unbehagen mit Hilfe von einigen Glaserln Alkohol oder ein paar Zigaretten mehr „wegzustecken“. Wie auch der kürzlich erschienene „Erste Gender-Gesundheitsbericht“ zeigt, trinken Männer häufiger Alkohol als Frauen, essen weniger Obst und Gemüse und sind stärker übergewichtig. Wenn sie rauchen, dann meist starke Zigaretten. Zudem sind Männer risikobereiter und verletzen sich dadurch eher bei Freizeit- oder Verkehrsunfällen.
Gefährdetes Herz
Männer sind von bestimmten Erkrankungen häufiger und anders betroffen als Frauen: Herzinfarkt bzw. Schlaganfall, auch Typ-2-Diabetes setzen Männern öfter zu, zwischen dem 30. und 59. Lebensjahr stellt sich sehr häufig Bluthochdruck ein. Im Hinblick auf Krebserkrankungen sind die Prostata, die Lunge und der Darm die gefährdesten Organe.
Dem Partner zuliebe
Wie bekommt man Männer dazu, sich mal beim Arzt „durchchecken“ zu lassen – auch und besonders dann, wenn nichts wehtut, wenn zumindest vordergründig „eh alles funktioniert“? Erkrankungen wie Diabetes, Gefäßverengungen oder auch Krebs verursachen lange Zeit keine spürbaren Beschwerden. „Männer lieben ihre Kinder, ihre Lebenspartner – ihnen zuliebe gehen sie schon zum Arzt, zur Vorsorgeuntersuchung, aber auch erst, wenn sie älter sind. Es bringt viel, wenn Vertraute, Eltern oder auch Freunde Männern nahelegen, auf ihre Gesundheit zu schauen“, betonte Prof. Dr. Wolfgang Rutz, Hochschule für angewandte Wissenschaften in Coburg und ehemaliger Leiter des WHO Bereiches psychische Gesundheit in Europa auf der Wiener Enquete „Männergesundheit“.
Aggression – Zeichen von Depression?
Nicht nur körperliche Beschwerden werden vom männlichen Geschlecht lange ignoriert, auch bei psychischen Problemen neigen viele zum Verdrängen. Wolfgang Rutz: „Männer tun sich viel schwerer, mit Veränderungen umzugehen. Scheidung, soziale Isolation, Arbeitslosigkeit oder auch permanenter Leistungsdruck und Überlastung können zu Depressionen und Erschöpfungszuständen führen. Bis diese behandelt werden, vergeht viel Zeit, oft bis zu sechs Jahre.“ Doch der Druck ist groß. „Aggressivität und Gereiztheit nehmen zu, sie können ein Ausdruck von versteckter Depression sein – auch dafür, dass Mann Hilfe braucht“, erklärt Psychiater Wolfgang Rutz.
Anzeichen einer Krise
Wenn Sie den Eindruck haben, dass sich jemand in Ihrem Umfeld in einer Krise befindet, versuchen Sie, ins Gespräch zu kommen.
Erste Anzeichen einer Depression sind:
- die Stimmung ist andauernd gedrückt
- es fehlt an Freude, Interesse und Antrieb, etwas zu tun
- Minderwertigkeits- und Schuldgefühle
- verändertes Essverhalten, das zu Gewichtsverlust oder -zunahme führt
- Aggressionen und leichtere Reizbarkeit
- vermehrter Alkohol- und Nikotinkonsum, Medikamentenmissbrauch
- wiederkehrende Todesgedanken
Erste Anzeichen für Suizidgefahr sind:
- Niedergeschlagenheit
- Resignation, Hilf- und Hoffnungslosigkeit
- Freudlosigkeit, Verzweiflung
- vermindertes Selbstwertgefühl
- Schuldgefühle und Selbstvorwürfe
- Verlust der Lebensperspektive
- gefährdete Menschen sagen z. B.: ich falle jedem zur Last; ich möchte, dass alles aufhört; ich schaffe das nicht mehr.
Wann zur Vorsorgeuntersuchung?
- 20 plus: Jährliche Vorsorgeuntersuchung zum Beispiel beim Hausarzt oder Internisten, um Risikofaktoren und Krankheiten früh zu erkennen. Hodenkrebs trifft sehr häufig junge Männer.
- 40 plus: Wenn ein Verwandter ersten Grades (Vater, Bruder) bereits Prostatakrebs hatte, zusätzlich einmal jährlich zur Vorsorgeuntersuchung zum Urologen gehen. Ohne erbliche Vorbelastung: Ab 45 Jahren zur jährlichen Prostatauntersuchung.
- 50 plus: Zusätzlich regelmäßig zur Darmspiegelung (Koloskopie).
Dazu meint Prof. Dr. Michael Eisenmenger, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Mann und Gesundheit (ÖGMG): „Vielfach kommen Männer erst mit 50 plus zum Urologen, sie werden meist von ihren Frauen geschickt. Man müsste das Bewusstsein für Männergesundheit schon bei Buben bzw. verstärkt bei Burschen in der Pubertät fördern, sie gehen meist nicht mehr zum Kinderarzt. Doch gerade, wenn es zu ersten sexuellen Kontakten kommt, ist eine ärztliche Vertrauensperson wie ein Urologe bzw. Androloge, der sich mit Männergesundheit beschäftigt, sehr wichtig.“
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