Von Mag. Michael Krassnitzer
Die Gräserpollenallergie ist die häufigste Allergie überhaupt. Ein Fünftel aller Österreicher ist vom „klassischen Heuschnupfen“ betroffen: Niesreiz, rinnende, verstopfte Nase, juckende, gerötete Augen, in schlimmeren Fällen Atembeschwerden, Hautausschläge oder Schwellungen im Gesicht. Gegen Allergien gibt es normalerweise nur ein Mittel: den Kontakt mit jenen Substanzen vermeiden, gegen die man allergisch ist – die Allergenvermeidung. Die Pollenallergiker haben es leichter: Seit über 25 Jahren nämlich gibt es dagegen eine wirksame Behandlung: die Immuntherapie.
Das Immunsystem schulen n Das Prinzip der Immuntherapie: Das Immunsystem wird an das Allergen der Gräserpollen gewöhnt. Eine Allergie ist ja nichts anderes als eine Reaktion des Immunsystems auf harmlose Substanzen, die von der körpereigenen Abwehr aber aus unerfindlichen Gründen wie gefährliche Eindringlinge behandelt werden. Die Folge: eine mitunter heftige Abwehrreaktion des Körpers. „Das Immunsystem lernt durch Kontakt, man kann es also schulen“, erklärt Prim. Dr. Waltraud Emminger, ärztliche Leiterin des Allergie-Ambulatoriums Rennweg in Wien. Im Zuge der Immuntherapie lernt das Immunsystem, dass Gräserpollen keine Bedrohung für den Organismus darstellen und daher auch nicht bekämpft werden müssen.
Und dieser Lernprozess ist wichtig, denn: Eine Gräserpollenallergie muss unbedingt behandelt werden, um schlimme Folgen zu verhindern. Wer gegen Gräserpollen allergisch ist, beginnt irgendwann auch einmal gegen Baumpollen allergisch zu reagieren und schließlich auch auf die Pollen von Kräutern. Unbehandelte Allergien enden darüber hinaus in über 40 Prozent der Fälle mit Asthma.
Klassisch per Spritze
Die klassische Immuntherapie wird mit einer Spritze verabreicht; die Mediziner sagen dazu „subkutan“ („unter die Haut“). In regelmäßigen Abständen injiziert der Arzt ein Präparat, welches die wichtigsten Allergene der Gräserpollen enthält, unter die Haut des Oberarmes. Zu Beginn der Therapie betragen die Zeitabstände eine Woche, später vergrößern sie sich auf vier bis sechs Wochen. Zu Beginn ist auch die Dosis noch sehr niedrig und wird langsam gesteigert. So wird die Empfindlichkeit des Immunsystems schrittweise herabgesetzt. Drei Jahre dauert eine Immuntherapie. Etwa 80 Prozent der Behandlungen führen zu weitgehender oder völliger Beschwerdefreiheit. Selbst wer zuvor während der Pollensaison geschnieft und geniest hat, wenn nur das Fenster offen stand, kann dann wieder unbeschwert Rad fahren oder über eine blühende Wiese laufen. Allerdings ist die Allergie nicht geheilt, sondern nur „eingeschlafen“. Bei vielen Menschen hält die Wirkung der Immuntherapie lebenslang an, bei manchen aber erwacht die Allergie nach Jahren wieder.
Die Vorteile der Tablette
Die subkutane Immuntherapie ist aber nicht für alle Patientinnen und Patienten geeignet. Manche haben panische Angst vor Spritzen oder können aufgrund ihrer Lebensumstände die regelmäßigen Termine zu herkömmlichen Ordinationszeiten nicht wahrnehmen. Für all diese Menschen wurde eine Immuntherapie entwickelt, die sie sich selbst über den Mund verabreichen können; die Mediziner nennen sie „sublingual“ („unter die Zunge“).
Dabei muss einmal täglich eine allergenhältige Lösung unter die Zunge getropft werden. Seit kurzem kann die Gräserpollenallergie aber nicht nur in Tropfen-, sondern auch in Tablettenform behandelt werden. Dr. Emminger dazu: „Ich bin froh, dass als Alternative zur subkutanen Immuntherapie nun eine Tablette zur Verfügung steht“, freut sich Prim. Emminger. Sie kann mit einem Rezept jederzeit in der Apotheke besorgt werden und löst sich binnen Sekunden unter der Zunge auf.
Gräserpollen im Anflug
„Erste Wahl bei der Behandlung der Gräserpollenallergie bleibt für uns Allergologen freilich die subkutane Immuntherapie“, fügt Emminger hinzu. Diese nämlich wirkt nachweislich: Zahlreiche Untersuchungen haben bewiesen, dass die subkutane Immuntherapie verhindert, dass sich zur Gräserpollenallergie noch weitere Allergien gesellen und dass der Betroffene früher oder später an Asthma erkrankt. Emminger: „Für die sublinguale Therapie gibt es bislang zu wenige Daten.“
Wer eine Immuntherapie gegen die Gräserpollenallergie beginnen will, sollte sich sputen. Der optimale Zeitpunkt nämlich liegt bei ungefähr zwölf Wochen vor Beginn der Pollensaison, auch acht Wochen vorher sind aus medizinischer Sicht vertretbar. Die Gräser fangen normalerweise um den Muttertag an zu blühen, der heuer auf den 13. Mai fällt. Wann genau die ersten Gräserpollen fliegen, kann freilich jetzt noch nicht vorhergesagt werden.
Der warme Jänner allerdings lässt eine relativ frühe Blüte erwarten. Denn die Pflanzen legen ab Jahresbeginn ein „Temperaturkonto“ an: Die Höchsttemperatur jedes Tages, sofern sie den Gefrierpunkt übersteigt, wird auf das Konto eingezahlt. Die Gräser beginnen zu blühen, wenn der Kontostand 500 Grad Celsius beträgt.
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Tipps & Tricks für Pollenallergiker
- Halten Sie sich an trockenen, heißen und windigen Tagen möglichst wenig im Freien auf. Verzichten Sie an diesen Tagen auf Sport in freier Natur, auf Radtouren, Camping und Ausflüge ins Grüne.
- Nach Gewittern und kurzen Regenschauern ist der Pollengehalt der Luft oft besonders hoch. Erst nach länger anhaltendem Regen ist mit einer Erleichterung zu rechnen.
- Halten Sie Fenster und Türen möglichst während der gesamten Blühperiode geschlossen. Schlafen Sie bei geschlossenen Fenstern.
- Waschen Sie Ihre Haare jeden Abend.
- Niesanfälle am Steuer können lebensgefährlich werden. Beim Autofahren sollten Sie daher die Lüftung ausschalten, die Fenster schließen und Sonnenbrillen tragen. Die Lüftungsfilter öfter reinigen oder erneuern! Verzichten Sie auf Motorradausfahrten in der Pollenflugzeit.
- Überlassen Sie das Rasenmähen anderen.Achtung:
- Felltragende Tiere sowie im Freien getrocknete oder gelüftete Wäsche sind Pollentransporteure.