Nieren & Harnblase

Immer Ärger mit der Blase

Wer öfter im Jahr unter Harnwegsinfekten leidet, hat mehr Leidensgenossen, als man vielleicht annehmen möchte. Die gute Nachricht: Mit der richtigen Prävention können Häufigkeit und Schwere deutlich reduziert werden.

Von: Michaela Neubauer


Priv.-Doz. Dr. Jennifer Kranz
 „Bei einer  unkomplizierten Blasenentzündung ist die Spontanheilungsrate hoch und liegt bei etwa 28 Prozent.“

Harnwegsinfektionen gehören zu den häufigsten bakteriellen Erkrankungen überhaupt. Besonders betroffen ist das weibliche Geschlecht: Etwa jede zweite Frau erleidet im Laufe ihres Lebens mindestens eine Blasenentzündung. Dies kann einerseits auf anatomischen Besonderheiten wie eine kürzere Harnröhre zurückgeführt werden, andererseits spielen auch genetische Prädispositionen, ein geschwächtes Immunsystem und hormonelle Faktoren eine Rolle. Besonders Frauen in den Wechseljahren sind gefährdet, da der sinkende Östrogenspiegel die Schleimhäute im Urogenitaltrakt dünner und weniger widerstandsfähig macht. 

Auch das Mikrobiom, also die Gesamtheit der Bakterien in der Blase und im Intimbereich, kann aus dem Gleichgewicht geraten und so die Abwehr schwächen. Darüber hinaus erhöhen bestimmte Verhaltensweisen das Risiko: Häufiger Geschlechtsverkehr, die Nutzung von spermizidhaltigen Verhütungsmitteln oder unzureichende Intimhygiene sind bekannte Auslöser. Aber auch externe Faktoren wie Stress, Schlafmangel und chronische Erkrankungen können das Immunsystem belasten und wiederkehrende Infektionen begünstigen.

Was bedeutet „wiederkehrend“?

Von wiederkehrenden oder rezidivierenden Harnwegsinfekten spricht man, wenn Betroffene mindestens zwei Infektionen innerhalb von sechs Monaten oder mindestens drei Infektionen innerhalb eines Jahres durchmachen. Dieses wiederholte Auftreten ist nicht nur belastend, sondern oft auch ein Hinweis darauf, dass neben einer bakteriellen Besiedelung andere begünstigende Faktoren vorliegen. Welche Präventionsmaßnahmen und Behandlungsoptionen in diesem Fall infrage kommen, ist Gegenstand der Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen“, die im Vorjahr von der deutschen Gesellschaft für Urologie aktualisiert wurde.  

Kompliziert oder unkompliziert?

Zwar nicht neu, aber nach wie vor wichtig ist die Unterscheidung zwischen unkomplizierten und komplizierten Harnwegsinfektionen. Unkompliziert bedeutet, dass keine anatomischen Probleme oder Besonderheiten in den Harnwegen bzw. keine Nierenfunktionsstörungen vorliegen und keine relevanten Vor- und Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Immunschwächen bestehen. Bei einer unkomplizierten Blasenentzündung, selbst wenn sie mehrmals im Jahr auftritt, sind ernste Komplikationen selten. „Die Spontanheilungsrate ist hoch und liegt bei etwa 28 Prozent“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Jennifer Kranz, Fachärztin für Urologie und Autorin der Leitlinie. Wichtig ist jedoch, auf Warnzeichen einer Nierenbeckenentzündung zu achten. Zu diesen gehören starke Schmerzen in der Flankengegend, Fieber über 38 Grad, Schüttelfrost und ein stark beeinträchtigter Allgemeinzustand. 

Antibiotika-Alternativen

Handelt es sich um eine unkomplizierte Harnwegsinfektion, sollte, so die Autorinnen und Autoren der Leitlinie, auch der Einsatz von Antibiotika kritisch überdacht werden. Diese sind zwar gut wirksam, jedoch kann eine langfristige oder wiederholte Antibiotika­einnahme auch dazu führen, dass sich resistente Bakterien entwickeln. Die Folge: Die Behandlung wird zunehmend schwieriger, und herkömmliche Medikamente verlieren ihre Wirkung. In diesem Punkt bringt die neue Leitlinie eine Änderung mit sich: Während zuvor nur eine Kann-Empfehlung für Antibiotika-Alternativen ausgesprochen wurde, wird nun betont, dass einer nicht-antibiotischen Therapie der Vorrang gegeben werden sollte. 

Als Alternativen zu Antibiotika werden vor allem eine symptomatische Therapie sowie die Behandlung mit einem geeigneten pflanzlichen Arzneimittel hervorgehoben. Hintergrund dafür sind sechs kontrollierte Studien, darunter die „CanUTI-7-Studie“, bei der der Einsatz einer pflanzlichen Kombination aus Rosmarin, Tausendgüldenkraut und Liebstöckel untersucht wurde. Dabei zeigte sich, dass die pflanzliche Behandlung genauso gut wirken kann wie das häufig verschriebene Antibiotikum Fosfomycin. Allerdings werden die nicht-antibiotischen Behandlungsansätze derzeit mangels guter Daten nicht für ältere Betroffene empfohlen. Ist eine Antibiotikagabe unvermeidbar, spricht sich die neue Leitlinie für den gezielten Einsatz der Arzneistoffe Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam und Trimethoprim aus. Damit soll die immer noch häufige Nutzung von Chinolonen (Leitsubstanz Ciprofloxacin) bei akuter Zystitis reduziert werden. „Chinolone möchten wir bei einer akuten Blasenentzündung nicht mehr sehen“, erklärt Kranz.

Pflanzliche Präparate auf dem Prüfstand

Als besonders bekannte pflanzliche Wirkstoffe zur Prävention von Harnwegsinfekten gelten Cranberry und D-Mannose. Bei D-Mannose handelt es sich um einen natürlichen Einfachzucker, der sich an bestimmte Bakterien wie Escherichia coli bindet und deren Anhaftung an die Blasenschleimhaut verhindert, sodass sie mit dem Harn ausgeschieden werden können. Laut dem Leitlinien-Autorenteam kann D-Mannose bei wiederkehrenden Blasen­entzündungen eingesetzt werden, um „eine antibiotische Langzeittherapie möglicherweise zu vermeiden“. 

Auch zu Cranberry-Produkten liegen vielversprechende Daten vor, wobei es hier auf die Zielgruppe anzukommen scheint: So profitieren Schwangere, Heimbewohnerinnen und -bewohner sowie Menschen mit neurogener Blasenfunktionsstörung laut aktuellen Studien möglicherweise nur wenig oder gar nicht von Cranberry-Produkten. Dagegen könnten sie das Risiko für erneute Blasenentzündungen bei Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfektionen, bei Kindern sowie bei Personen mit einer erhöhten Anfälligkeit für Harnwegsinfektionen infolge einer medizinischen Intervention wirksam senken. 

In einigen Studien schnitten darüber hinaus Kombinationspräparate mit Kapuzinerkresse und Meerrettich bzw. mit Bärentrauben­blättern, Birke oder Löwenzahn positiv ab. Allerdings betonen die Autorinnen und Autoren der Leitlinie, dass bisher nur begrenzte Daten zu wichtigen Aspekten wie der gesundheitsbezogenen Lebensqualität oder der Entwicklung komplizierter Infekte vorliegen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass pflanzliche Arzneimittel mit Bärentraubenblättern nicht für eine langfristige Anwendung über einen Monat hinaus geeignet sind.

Ernährung und Lebensstil

Neben der Einnahme von pflanzlichen Arzneimitteln zeigen oft schon kleine Veränderungen im Alltag eine große Wirkung. So könnte etwa der regelmäßige Konsum von Beerenfrucht­säften oder fermentierten Milchprodukten das Risiko für Blasenentzündungen senken, wie Studien nahelegen. Kontraproduktiv wirken sich hingegen laut Leitlinie ein Body-Mass-Index (BMI) über 30, Verstopfung sowie mangelnde Bewegung und lange tägliche Sitzzeiten aus. Wenig trinken fördert nicht nur das Risiko von Blasenentzündungen, sondern erhöht auch deren Wiederholungsrate. Studien belegen, dass Frauen mit einer täglichen Flüssigkeitszufuhr von mindestens 2,5 Litern – davon 1,5 Liter Wasser – weniger Infektionen erleiden. Der Effekt ist deutlich: Weniger Beschwerden, längere beschwerdefreie Phasen und ein reduzierter Antibiotikabedarf wurden dokumentiert. Wichtig ist jedoch, die Trinkmenge gleichmäßig über den Tag zu verteilen, idealerweise auf sechs bis acht Portionen à 350 Milliliter.

Immunprophylaxe und Blasenschutz

Eine vielversprechende Alternative zur Langzeit-Antibiotikatherapie ist die Immunprophylaxe. Dabei werden über einen längeren Zeitraum Präparate eingenommen, die darauf abzielen, das Immunsystem gezielt gegen Bakterien wie Escherichia coli zu stärken, die für die meisten Harnwegsinfektionen verantwortlich sind. 

Erste Langzeitstudien zeigen beeindruckende Ergebnisse: So konnte bei einem Großteil der untersuchten Patientinnen eine signifikante Reduktion der Infektionshäufigkeit beobachtet werden. Als ebenfalls vielversprechend gelten Präparate, die die GAG-Schicht (Glykosaminoglykane) der Blase wiederaufbauen. Diese bildet eine natürliche Barriere gegen Krankheitserreger und schützt die Blase vor mechanischen und chemischen Reizungen. Produkte mit Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat, die über einen bestimmten Zeitraum wöchentlich mittels Katheter in die Blase eingebracht werden, können bei Frauen mit chronischen Infektionen die Rezidivrate senken. Allerdings merken die Leitlinienautorinnen und -autoren an, dass „bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen kein GAG-Mangel nachgewiesen wurde“. Fest steht: Wer immer wieder unter Harnwegsinfekten leidet, braucht einen langen Atem. Die passende Präventionsstrategie zu finden, erfordert oft Geduld und Konsequenz, denn jede und jeder Betroffene ist anders und hat unterschiedliche gesundheitliche Voraussetzungen. Meist gibt es keine universelle Lösung, doch die Kombination aus wissenschaftlich fundierten Maßnahmen und einem bewussten Lebensstil bietet die Chance auf eine deutliche Besserung.


Fotos: istock lunar_cat

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