Dauerhaft leichter durchs Leben

März 2022 | Medizin & Trends

Wer sein Gewicht auf gesunde und nachhaltige Weise reduziert, wird mit einem gänzlich neuen Lebensgefühl belohnt.

– Von Mag. Natascha Gazzari

Low Carb, Low Fat, FDH, Metabolic-Balance, Paleo: Das Angebot an Diäten, die damit werben, die Kilos innerhalb kurzer Zeit und mit geringem Aufwand purzeln zu lassen, ist riesig. Hält die eine Diät nicht, was sie verspricht, wird die nächste ausprobiert oder frustriert zum gewohnten Essverhalten zurückgekehrt. Oft zeigt die Waage dann nicht weniger, sondern mehr Kilos als zuvor.

Das ständige Rauf und Runter des Körpergewichts, das auch als „Jojo-Effekt“ bezeichnet wird, begleitet viele Menschen mit Übergewicht ein Leben lang. Jahrelange Diät-Karrieren enden nicht selten in Frustration und Resignation. Dabei lohnt es sich in mehrfacher Hinsicht, überflüssige Kilos abzubauen. „Jede Reduktion von Körpergewicht ist der Gesundheit zuträglich und erhöht nachweislich die Lebenserwartung“, berichtet Dr.in Edith Hartmann, Fachärztin für Innere Medizin und ärztliche Leiterin des Zentrums für ambulante Adipositas-Therapie „Medikcal“ in Linz.

Ab wann Übergewicht zum Problem wird, ist individuell unterschiedlich. Aus medizinischer Sicht besteht bereits ab einem Body-Mass-Index von über 25 Über­gewicht (siehe BMI – was ist das überhaupt?)

Belastend für Körper & Psyche

„Problematisch wird Übergewicht dann, wenn ein Leidensdruck entsteht, sei es durch Begleit­erkrankungen oder durch Einschränkungen im täglichen Leben“, weiß die Linzer Diätologin Julia Plöchl, BSc. Fällt aufgrund des Übergewichts körperliche Aktivität zunehmend schwer, ziehen sich Betroffene aus Scham oder Frust aus dem gesellschaftlichen Leben zurück, oder kommt es zu Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz, sollten die Alarmglocken schrillen.

Nicht nur die Psyche kann unter den Kilos leiden, auch das Risiko für Begleit- und Folgeerkrankungen steigt mit der Höhe des Übergewichts an. „Neben Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Fettleber, Herz-Kreislauf­erkrankungen oder Gicht kann Übergewicht auch das Entstehen bestimmter Krebserkrankungen wie Brust-, Bauchspeicheldrüsen-, Darm-, Leber- oder Prostatakrebs begünstigen“, so Hartmann. Weniger bekannt ist, dass starkes Übergewicht die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen kann. „Fast jedes Organ kann von Adipositas betroffen sein“, fasst die Linzer Stoffwechselexpertin zusammen.

Machtlos gegen die Gene?

„Unser Gewicht wird zu 70 bis 80 Prozent von den Genen bestimmt“, weiß Diätologin Julia Plöchl. Die gute Nachricht: Die restlichen 20 bis 30 Prozent lassen sich durch Bewegung sowie Veränderungen im Essverhalten positiv beeinflussen. Entscheidend ist die Energiebilanz. Nur wenn sich Energiezufuhr und Energieverbrauch die Waage halten, kann eine Gewichtszunahme verhindert werden. Um Kilos zu verlieren, muss die Energiebilanz negativ sein, man muss also mehr Energie verbrauchen, als man durch Nahrung zuführt.

Doch wie kann es gelingen, sich auf gesunde Weise von überflüssigem Ballast zu befreien? „Es gibt keine perfekte Diät, die für alle passt“, ist die Diätologin überzeugt. Abzuraten ist von allen einseitigen Ernährungsformen, die einen Mangel an Nährstoffen erzeugen und die Körperzusammensetzung negativ beeinflussen können.

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BMI – was ist das überhaupt?

Die Formel für den Body Mass Index (BMI) lautet Körpergewicht (in Kilogramm) geteilt durch Körpergröße (in Metern) zum Quadrat. Von Normalgewicht spricht man, wenn der errechnete BMI-Wert zwischen 18,5 und 24,9 liegt. Der BMI berücksichtigt jedoch wichtige Faktoren wie Körperfettanteil oder Muskelmasse nicht. So können gut Trainierte aufgrund ihres hohen Anteils an Muskelmasse durchaus einen erhöhten BMI haben, dabei aber völlig gesund sein.

Um die individuellen gesundheitlichen Risiken besser einschätzen zu können, sollte auch der Bauchumfang gemessen werden. Beträgt der Baumumfang bei Frauen mehr als 88 cm und bei Männern mehr als 102 cm, besteht unabhängig vom errechneten Body Mass Index ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen.

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Wenn Lebensmittel süchtig machen

Dr.in Iris Zachenhofer, Fachärztin für Neurochirurgie und Psychiatrie, arbeitet an der Wiener Klinik Penzing mit Suchtkranken. Sie erklärt, warum hoch verarbeitete Lebensmittel ähnlich wie Alkohol oder Drogen abhängig machen können und wie der Ausstieg gelingen kann.

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Welche Mechanismen stecken dahinter, wenn Essen zur Sucht wird?

Dr.in Iris Zachenhofer
Industriell hergestellte Lebensmittel wie Milchschokolade, Chips, Eiscreme, Fertigkuchen, Muffins oder Pommes Frites sind besonders geschmacksintensiv und haben eine starke Wirkung auf das Belohnungssystem im Gehirn, ähnlich wie bei Drogenkonsum. Es kommt zur verstärkten Ausschüttung des Glückshormons Dopamin, durch dessen Wirkung wir uns nach dem Verzehr von sehr fettem oder sehr süßem Essen motiviert und glücklich fühlen.

Warum ist es bei diesen Lebensmitteln so schwer, Nein zu sagen?
Wichtig ist, dass man sich bewusst macht, dass dieses extreme Verlangen nach Essen keine Willensschwäche ist, sondern ein Symptom. Der medizinische Fachausdruck für dieses beinahe unstillbare Verlangen nach fettem, süßem oder salzigem Essen ist „Craving“, was so viel bedeutet wie Begierde, Verlangen. Diese Begierde führt zu einem starken Anstieg der inneren Anspannung und oft auch zu körperlichen Beschwerden wie Schwitzen. Der einfachste Weg, diesen unangenehmen Zustand zu beenden ist, wieder zu Lebensmitteln mit Suchtpotenzial zu greifen.

Welche Rolle spielt Stress bei unkontrolliertem Essverhalten?
Jede Art von Stress kann sich auf unser Essverhalten auswirken. In Stresssituationen steigt das Verlangen nach der Ausschüttung des Glückshormons Dopamin. Es ist daher wichtig, sich bewusst zu machen, welche Gefühle einen zum Essen verleiten. Esse ich etwa aus Langeweile oder als Belohnung nach einem stressigen Tag? Am Beginn einer Veränderung sollte daher immer eine Inventur des persönlichen Essverhaltens stehen, indem man ein paar Tage lang genau mitschreibt, was man wann und in welcher Emotion zu sich genommen hat.

Wie kann der Weg in Richtung gesunde Ernährung aussehen?
Ziel sollte es sein, stark verarbeitete Lebensmittel, die das extreme Verlangen auslösen, so selten wie möglich zu sich zu nehmen und sich auf natürliche Lebensmittel zu konzentrieren, die dem Körper guttun. Es ist unrealistisch, ein Leben lang gänzlich auf Süßes zu verzichten. Man kann jedoch Fertigkuchen, Milchschokolade & Co von der Einkaufsliste streichen und durch selbst gemachte Kuchen oder dunkle Schokolade mit mindestens 70 Prozent Kakaoanteil ersetzen und diese nur ab und zu genießen. Wichtig ist es, einen Weg zu finden, der gangbar ist und trotzdem für Genuss sorgt. Empfehlenswert ist eine Ernährung, die auf viel Gemüse, Obst und Fisch basiert. Um Rückfälle zu vermeiden, sollten die Mahlzeiten gut geplant und rechtzeitig zubereitet werden. Durch das neue Essverhalten lässt sich eine stabile Sättigung und eine ausgeglichene Stimmung erreichen.

Wie geht man mit Rückfällen um?
Rückfälle gehören dazu. Es ist unrealistisch, das bisherige Essverhalten von einem auf den anderen Tag zu ändern. Es braucht Zeit, bis sich neue Gewohnheiten manifestieren können; drei Wochen sind ein Richtwert. Wenn es zu einem Rückschlag gekommen ist, sollte man sich den Grund dafür anschauen, den Ausrutscher akzeptieren und dann rasch zum Programm zurückkehren.

Gibt es bei der Lust auf Süßes SOS-Tipps, die man anwenden kann?
Techniken aus der Suchtmedizin können unterstützend wirken. Man kann die Zeit der Gier mit Tätigkeiten überbrücken, die einem guttun. Das kann ein Spaziergang, ein Vollbad oder das Lesen einer Zeitschrift sein. Wenn nötig, kann man auch mit härteren Maßnahmen gegen die Gier vorgehen, indem man einen Schmerzreiz setzt, um sich abzulenken. So kann der Biss in eine scharfe Chilischote ebenso wirksam sein wie eine kalte Dusche. Was am besten wirkt, ist individuell und sollte daher jeder für sich selbst erarbeiten.

 

Stand: 03/2022

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