Ein Bissen genügt und plötzlich kribbelt der Mund oder juckt die Haut. Bei welchen Symptomen man an eine Nahrungsmittelallergie denken sollte, wie man zu einer Diagnose kommt und welche Rolle der Darm spielt.
Von Natascha Gazzari

„Mithilfe der molekularen Allergiediagnostik kann man genau feststellen, ob es sich um eine echte Nahrungsmittelallergie oder um eine Kreuzallergie handelt.“
Stellen Sie sich vor, Sie beißen in einen vermeintlich gesunden Apfel, und wenige Minuten später kämpfen Sie mit Atemnot. Was für Gesunde harmlos ist, wird für Menschen mit Nahrungsmittelallergie schnell zur Gefahr. Meist reichen schon geringe Mengen des allergieauslösenden Nahrungsmittels, um innerhalb kurzer Zeit Symptome im Mundbereich, im Magen-Darm-Trakt, im Bereich der Atemwege oder auf der Haut auszulösen. Im schlimmsten Fall droht eine Anaphylaxie – eine schwere, lebensbedrohliche Überempfindlichkeitsreaktion, die den ganzen Körper betrifft.
Fehlalarm des Immunsystems
Nahrungsmittelallergien sind weit verbreitet und weltweit auf dem Vormarsch. „Laut österreichischem Allergiebericht sind rund fünf Prozent der Bevölkerung gegen bestimmte Lebensmittel allergisch. Bei Kindern bis zum vierten Lebensjahr zählen Nahrungsmittel sogar zu den häufigsten Ursachen einer allergischen Erkrankung“, berichtet Assoz.-Prof. DDr. Eva Untersmayr-Elsenhuber, Fachärztin für klinische Immunologie am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der MedUni Wien. Besonders häufig werden Nahrungsmittelallergien durch Kuhmilch, Eier, Erdnüsse, Baumnüsse, Krustentiere und Fisch ausgelöst. Auch Sojabohnen, Sesamsamen, glutenhaltiges Getreide, Sellerie, Senf und Lupinen haben ein hohes allergenes Potenzial.
Doch was passiert im Körper, wenn vermeintlich harmlose Nahrungsmittel plötzlich zum Feind erklärt werden? „Das Immunsystem ordnet fälschlicherweise Bestandteile der Nahrung – die sogenannten Allergene – als gefährlich ein und leitet eine Immunreaktion ein. Bei einem gesunden Menschen hingegen duldet das Immunsystem diese Nahrungsmittelbestandteile; man spricht von Toleranz“, erläutert die Medizinerin.
Es gibt verschiedene Typen von Allergien. Bei Nahrungsmittelallergien ist die Typ-I-Reaktion am häufigsten, bei der IgE-Antikörper gebildet werden. Typ-I-Allergien werden auch als Soforttyp-Allergien oder IgE-vermittelte Allergien bezeichnet, weil sie sehr rasch nach dem Kontakt mit dem Allergen zu Symptomen führen. Bevor es zur überschießenden Immunreaktion kommt, durchläuft der Körper die sogenannte Sensibilisierung. In dieser Zeit, die Wochen bis Jahre dauern kann, stuft das Immunsystem die Allergene zwar als fremd ein und bildet IgE-Antikörper, es zeigen sich allerdings noch keine Symptome. „Erst in der zweiten Phase, wenn sich die Allergie entwickelt hat, genügen oftmals kleinste Mengen des Allergens, um allergische Beschwerden auszulösen – die innerhalb von Sekunden bis Minuten auftreten können“, so Untersmayr-Elsenhuber.
Von mild bis lebensbedrohlich
Die Symptome einer Nahrungsmittelallergie können ganz unterschiedlich ausfallen und von Person zu Person stark variieren. Häufig zeigen sich allergische Beschwerden gegen Nahrungsmittel im Mundbereich: Neben Jucken, Kribbeln und Brennen kann es zu Schwellungen der Schleimhaut und der Zunge kommen. Der Magen-Darm-Trakt kann mit Durchfall, Übelkeit oder Erbrechen sowie Blähungen und Schmerzen auf den Verzehr allergieauslösender Stoffe reagieren. Auch chronische Entzündungen wie Kolitis können mit Nahrungsmittelallergien in Zusammenhang stehen, die in diesem Fall nicht immer durch IgE-Antikörper vermittelt sein müssen. Auf der Haut können Ausschlag, Rötung und Juckreiz auf eine allergische Reaktion hindeuten. Kommt es nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel zu Husten oder Atemnot, sollte man ebenfalls an eine Allergie denken. Ein medizinischer Notfall ist der anaphylaktische Schock, eine schwere, lebensbedrohliche Überempfindlichkeitsreaktion, bei der es zum Kreislaufversagen kommen kann.
Bei Verdacht: ab zum Allergietest!
Kommt es nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel zu einem oder mehreren der oben genannten Symptome, sollte man die Beschwerden abklären lassen – und zwar nicht mittels Selbsttest, sondern in der ärztlichen Praxis bzw. in speziellen Allergie-Ambulatorien. Das genaue Dokumentieren und Beschreiben der Symptome erleichtert die Diagnose und kann erste Hinweise auf zu testende Nahrungsbestandteile liefern. Um eine Allergie eindeutig zu diagnostizieren, werden meist ein Hauttest (Prick-Test), eine IgE-Bestimmung im Blut und bei Bedarf ein oraler Provokationstest durchgeführt.
Labortest ist übrigens nicht gleich Labortest: Während traditionelle Allergietests oft auf Gesamtextrakten basieren, konzentriert sich die molekulare Allergiediagnostik auf die Bestimmung von spezifischen IgE-Antikörpern gegen einzelne Allergenkomponenten, also Moleküle, im Blutserum. „Mithilfe der molekularen Allergiediagnostik kann man genau feststellen, ob es sich um eine echte Nahrungsmittelallergie oder um eine Kreuzallergie handelt“, erklärt die Immunologin. Kreuzallergien auf Nahrungsmittel treten bei rund einem Drittel aller Personen mit anderen bestehenden Allergien auf – besonders häufig bei Allergien gegen Birken-, Beifuß-, Ragweed- und Gräserpollen. „Zu einer Kreuzallergie kommt es, wenn das Immunsystem auf strukturell ähnliche Bestandteile, die auch in Nahrungsmitteln vorkommen, reagiert. Die Symptome einer Kreuzallergie sind identisch mit jenen einer echten Nahrungsmittelallergie, verlaufen jedoch meist milder.“ Oft treten Kreuzallergien speziell während der Pollensaison auf. Die allergieauslösenden Nahrungsmittel sollten dann gemieden werden. Damit sich Kreuzallergien gar nicht erst entwickeln können, ist eine möglichst frühzeitige Behandlung der ursprünglichen Allergie – wenn möglich durch eine spezifische Immuntherapie – entscheidend.
Therapie: Verzicht als beste Option
Während sich andere Allergien, etwa gegen Gräser- oder Birkenpollen, bereits sehr erfolgreich durch eine spezifische Immuntherapie behandeln lassen, müssen sich Nahrungsmittelallergikerinnen und -allergiker derzeit leider in Verzicht üben, um ihre Beschwerden kontrollieren zu können. „Aktuell gibt es nur für Kinder und Jugendliche mit diagnostizierter Erdnussallergie eine zugelassene Immuntherapie“, informiert die Expertin. Die gute Nachricht für Betroffene: Allergien können sich im Laufe des Lebens ändern und im besten Fall verschwinden. Bei Kindern, die an Allergien leiden, kann es etwa im Zuge der Pubertät zu einer Besserung der Symptome kommen.
Fotos: Med uni wien/feelimage, istockphoto/luplupme