Jeder dritte Österreicher, so schätzen Experten, leidet an Bluthochdruck und lebt gefährlich. Denn wird die Krankheit weder rechtzeitig noch richtig behandelt, drohen schwere Folgen von Herzinfarkt bis Schlaganfall, von Demenz bis Nierenversagen. Also lebenslang Tabletten nehmen? Wie man mit weniger oder ganz ohne Medikamente zu gesunden Werten kommen kann.
Von Mag. Sabine Stehrer
Müdigkeit, Kopfweh, Schwindel, ein Gefühl der Gereiztheit: Die Beschwerden, die Bluthochdruck im Schlepptau hat, sind vergleichsweise harmlos. Ganz im Gegensatz zu den Folgen, die drohen, wenn man nichts dagegen unternimmt: Hirnblutungen zählen ebenso dazu wie Hirnschäden, die zu Demenz führen, Lungenembolien, Nierenversagen, Herzinfarkt und Schlaganfall. Von da an ist es häufig nicht mehr weit bis zum Dasein als Pflegefall oder gar bis zum Tod.
Experten schätzen, dass in Österreich jeder Dritte an Hypertonie, wie Bluthochdruck in der Fachsprache genannt wird, leidet. Viele wissen nichts von der tickenden Zeitbombe in ihrem Körper: Sie kennen weder ihre (zu hohen) Werte, noch tun sie etwas dagegen. Und jene, die es wissen, greifen in den meisten Fällen zur Pillendose, um ihren Blutdruck in den Griff zu bekommen: Mittel gegen Bluthochdruck sind die am häufigsten verschriebenen Arzneien Österreichs; der Hauptverband der Sozialversicherungsträger gibt dafür jährlich etwa zehn Prozent des Gelds aus seinem Medikamentenbudget aus, 2014 waren das rund 280 Millionen Euro.
Die Mittel sind auch ein Segen der modernen Medizin: Vor allem Betablocker, die den blutdrucksteigernden Stresshormonen Adrenalin und Noradrenalin ihre Wirkung nehmen, sowie ACE-Hemmer, die bestimmte blutdruckerhöhende Enzyme hemmen, bewahren Hypertoniker vor schweren Folgen des stillen Leidens. Trotzdem werden Blutdrucksenker von vielen Betroffenen verflucht. Denn häufig nimmt die Einstellung der Medikamente Wochen oder Monate in Anspruch, was einiges an Zeit und Mühen kostet. Hinzu kommt: Bis die Mittel wirken, verstärken sich oft die Symptome und Gereiztheit, Schwindel, Kopfweh und Müdigkeit nehmen zu. Außerdem können manche Blutdrucksenker wie Diuretika und Kalzium-Antagonisten unangenehme Nebenwirkungen haben, Verdauungsprobleme z. B. oder auch Reizhusten, Hitzewallungen gepaart mit Schweißausbrüchen und Rötungen im Gesicht. Selten, aber doch können sie zu Allergien führen, den Blutzuckerspiegel erhöhen oder die Blutfettwerte verschlechtern.
Kann man auch mit weniger oder gar keinen Medikamenten zu gesunden Blutdruckwerten kommen?
In vielen Fällen kann man, sagen Experten, und skizzieren für MEDIZIN populär die sechs wichtigsten Schritte auf dem Weg dahin. Die Dosis der verordneten Mittel sollten Betroffene aber niemals in Eigenregie ändern, sondern immer nur in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt.
1. Den Gürtel enger schnallen
Übergewicht, das hierzulande jeder zweite Mann, jede dritte Frau und jedes vierte Kind belastet, „ist meistens mit schuld daran, dass der Blutdruck zu hoch ist“, weiß Univ. Prof. Dr. Thomas Stulnig, Leiter der Abteilung für Spezielle Hypertonie und angeborene Stoffwechselerkrankungen am AKH in Wien. Dafür gibt es mehrere Erklärungen: So wird bei Übergewicht vermehrt Salz bzw. Natrium, das im Salz steckt, in der Niere zurückgehalten, und Natrium steigert den Blutdruck. Die Fettansammlungen beeinflussen außerdem das Hormonsystem in einer Art und Weise, die über Umwege ebenfalls zur Hypertonie führt. Und schließlich essen Übergewichtige oft so fett- und zuckerreich, dass Fette – das schädliche Cholesterin LDL und Triglyzeride – sowie Zuckerkristalle nicht abgebaut werden können, sich an den Gefäßwänden ablagern und die Gefäße verhärten. Die Gefäßverengung (Arteriosklerose) trägt wiederum das Ihre dazu bei, dass das lebensnotwendige Blut mit Hochdruck durch den Körper gepumpt werden muss.
Das bringt’s: „Bluthochdruckpatienten, die den Gürtel enger schnallen, also abspecken, indem sie weniger kalorienreich essen, können schon allein dadurch deutliche Besserungen erreichen“, hat Stulnig vielfach erlebt. Laut dem erfahrenen Spezialisten lassen sich die Erfolge sogar beziffern: „Wenn übergewichtige Patienten fünf bis zehn Kilogramm abnehmen, reduziert sich der obere Wert um zirka 10 mm/Hg, der untere um etwa 5 mm/Hg.“
2. Mit Köpfchen essen
Wer sich täglich Schokolade und Kuchen einverleibt und sich zudem mehrmals pro Woche fettreiche Speisen à la Schweinsbraten mit Butterkartoffeln und Schnitzel mit Pommes frites auf den Teller lädt, handelt sich neben anderen gesundheitlichen Problemen vielfach auch Bluthochdruck ein. Wie sehr sich eine Umstellung der Ernährung besonders für Hypertoniker lohnt, haben amerikanische Forscher bewiesen. Im Rahmen der sogenannten DASH (Dietary Approaches to Stop Hypertension)-Studien wurden mehrere 100 Hypertoniker dazu angeleitet, jeden Tag mit Köpfchen zu essen, also besonders viel Obst, Gemüse, Salate, wenig rotes Fleisch, dafür mehr Huhn- und Putenfleisch sowie Fisch, Nüsse, Vollkornprodukte und wertvolle Speiseöle wie beispielsweise Olivenöl, Leinöl, Rapsöl. Denn die Forscher wussten: Die gesunden Fettsäuren in Ölen und Fisch schützen die Gefäße vor Ablagerungen und der blutdrucksteigernden Arteriosklerose. Das weiße Fleisch von Geflügel enthält bei weitem nicht so viel Fett wie rotes und ist daher der Gesundheit dienlicher. „Auch die Ballaststoffe, die in Salaten, Gemüsen und Obst sowie Vollkornprodukten und Nüssen stecken, tun dem Körper gut, denn sie regen die Darmbakterien und die Verdauung an“, so Thomas Stulnig.
Das bringt’s: „Es hat sich gezeigt, dass Hypertoniker allein durch eine Ernährungsumstellung binnen drei Monaten den oberen Blutdruckwert um rund 10 mm/Hg und den unteren um 5 mm/Hg reduzieren konnten“, berichtet Stulnig aus der Forschung. „Das funktioniert auch dann, wenn die Veränderung der Ernährungsgewohnheiten gar nicht mit einer Gewichtsreduktion einhergeht.“ Wer nicht nur gesund isst, sondern darüber hinaus abnimmt, hat besonders gute Chancen auf bessere Blutdruckwerte.
3. Mit Liebe würzen
Mehr Salz als man denkt versteckt sich in Fast Food und Fertigprodukten wie Tiefkühlpizzen, Saucen und Suppen, aber auch in Wurst und Käse, und auch zu den traditionellen, oft selbstgekochten Gerichten der österreichischen Küche gehört es laut Originalrezepten ganz einfach dazu. Und so unterschätzt man gerne die Menge, die man im Lauf eines Tages zu sich nimmt, auch wenn man nie einen Salzstreuer in der Hand gehabt hat: 12 Gramm sind es beim Durchschnittsösterreicher, also zwei volle Teelöffel voll. Das rächt sich, denn egal, ob Salz aus den Bergen von Bad Ischl oder Berchtesgaden stammt, ob es im Himalaya-Gebiet abgebaut oder wie das „Fleur de Sel“ aus Meerwasser gewonnen wurde: „In jeder Sorte steckt in etwa gleich viel Natrium, und Natrium beeinflusst über die Regulierung des Flüssigkeitshaushaltes des Körpers den Blutdruck“, informiert Experte Stulnig und warnt: „Je mehr Natrium wir zu uns nehmen, desto höher steigt der Blutdruck.“
Wer täglich viel Salz bzw. Natrium oder auch natriumreiches Mineralwasser konsumiert, riskiert, Hypertoniker zu werden.
Daher versteht sich von selbst: „Besonders Bluthochdruckpatienten sollten darauf achten, pro Tag maximal sechs Gramm Salz zu sich zu nehmen“, betont Thomas Stulnig. Sechs Gramm Salz entspricht immer noch einem Teelöffel voll, daher sei – sofern man auch die versteckten Salze im Auge behält – die Beschränkung gar nicht so schwierig: „Schon zwei bis drei Wochen nach der Umstellung hat sich der Geschmackssinn daran gewöhnt, dass die Speisen weniger salzig sind“, macht Stulnig Mut.
Leichter fällt die Veränderung, wenn das Traditionsgewürz durch andere Gewürze oder Kräuter ersetzt wird: Wer z. B. bei Kartoffelgerichten, Eierspeisen oder Salaten nicht mit Salz, sondern liebevoll mit Schnittlauch, Petersilie und Basilikum würzt oder das Hühner- und Putengeschnetzelte mit Chili, Curry und Oregano zubereitet, verleiht den Speisen auch ganz ohne Salz einen guten Geschmack. Und unter den Mineralwässern sucht man sich am besten besonders natriumarme Sorten aus, denn ein Gramm Natrium entspricht 2,5 Gramm Salz.
Das bringt’s: „Drei Monate nach dem Umstieg auf salzarme Kost wird der Blutdruck um mindestens 5 mm/ Hg niedriger“, verspricht Hypertonie-Experte Stulnig.
4. Der Gefahr davonlaufen
Fast ein Drittel der Österreicher betreibt nie Sport. Und zu diesen 30 Prozent gehören fast alle Bluthochdruckpatienten, weiß Prim. Doz. DDr. Manfred Wonisch, Leiter der internen Abteilung des Hartmannspitals in Wien. Warum Bewegungsmangel zu Hypertonie führt? „Wer sich nie bewegt, verbraucht wenig Energie beziehungsweise Kilokalorien. Und wenn man sich dann über die Nahrung so viele Kilokalorien zuführt, dass eine positive Energiebilanz entsteht, legt der Körper Fettspeicher an.“ Übergewicht ist wiederum der Hauptverursacher von Bluthochdruck. Ein untrainierter Herzmuskel muss außerdem viel Kraft aufwenden, um Blut durch den Körper zu pumpen.
Entsprechend arbeitet er mit Hochdruck. „Deswegen sollten besonders Bluthochdruckpatienten alles daran setzen, Sport in ihr Leben zu integrieren“, betont Wonisch.
Der beste Weg, der Gefahr sozusagen davonzulaufen, beginnt laut dem Experten damit, sich von einem Sportmediziner untersuchen und einen Plan erstellen zu lassen. „Generell lässt sich der Blutdruck mit Ausdauersportarten wie Laufen, Radfahren, Nordic Walking oder flottem Schwimmen gut senken“, weiß Wonisch. Da der Effekt, der nach den Trainingseinheiten auftritt, aber nicht lange anhält, empfiehlt es sich, „besser kürzer, also eventuell nur eine halbe Stunde lang, dafür aber jeden Tag oder zumindest an fünf Tagen der Woche zu trainieren“. Auch Krafttraining, ob mit Gewichten oder dem eigenen Körpergewicht ein- bis zweimal pro Woche durchgeführt, ist laut Wonisch gut gegen Bluthochdruck. Dies vor allem aus einem Grund: „Wenn die Muskeln kräftiger sind, fallen dadurch Alltagserledigungen wie das Tragen schwerer Einkaufstaschen oder das Stiegensteigen leichter, und dadurch steigt der Blutdruck dabei nicht mehr so stark an.“
Das bringt’s: Unsportliche Hypertoniker, die es schaffen, regelmäßig Bewegung in ihr Leben zu bringen, bemerken die Effekte der Umstellung nach den Erfahrungen des Experten schon binnen vier bis sechs Wochen. Wonisch: „Die Werte sinken in dieser Zeit um 5 bis 8 mm/Hg.“
5. Ruhig Blut bewahren
Fast die Hälfte der Österreicher, 43 Prozent, leidet laut einer aktuellen Umfrage unter „sehr viel“ oder „viel Stress“. „Stress hat großen Einfluss auf den Blutdruck“, warnt Wonisch und ergänzt, warum das so ist: „Bei Stress werden die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet, die den Blutdruck in die Höhe treiben.“ Kommt ein Mensch täglich mehrmals in eine Stresssituation oder steht er permanent unter Stress, ist die Gefahr groß, allein dadurch zum Hypertoniker zu werden. Wonisch: „Ist Stress die Ursache für Bluthochdruck, empfiehlt es sich, zu versuchen, die Stressauslöser aus dem Leben zu verbannen oder Stress möglichst rasch abzubauen.“ Und Stressabbau wiederum funktioniert am besten mit Sport, aber auch mit Entspannungsmethoden wie autogenem Training.
Das bringt’s: Verschwinden jene Stressfaktoren aus dem Leben, die den Blutdruck in die Höhe treiben, oder wird Stress noch am Tag, an dem er entstanden ist, durch autogenes Training oder Sport abgebaut, tritt der Effekt häufig schnell ein. Wonisch weiß aus seiner langjährigen Erfahrung mit betroffenen Patienten: „Oft sinkt der Blutdruck binnen weniger Wochen auf die Normalwerte.“
6. Ohne Gift geniessen
Bei 11,2 Liter reinem Alkohol liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in Österreich, was 1,1 Liter über dem EU-Durchschnitt liegt. Stulnig über den Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und Bluthochdruck: „Wer übermäßig viel Alkohol trinkt, führt sich so viele Kilokalorien zu, dass die Gefahr für Übergewicht entsteht, und Übergewicht ist der Hauptrisikofaktor für Bluthochdruck.“ Vor allem für Hypertoniker ist es daher ratsam, wenn sie Alkohol nicht in giftiger Überdosis, sondern nur in Maßen genießen, so der Mediziner, also bei einem, höchstens zwei Gläsern Bier oder Wein am Abend bleiben. Stulnig: „Ein Glas Rotwein ist sogar empfehlenswert, denn verschiedene Substanzen im Wein tun offenbar den Gefäßen und damit dem Blutdruck gut.“ Für das Rauchen, ein Laster, dem ein Viertel der Österreicher frönt, gibt es hingegen kein gesundes Maß. „Rauchen führt dazu, dass sich die Gefäße zusammenziehen, und das treibt den Blutdruck in die Höhe“, weiß Stulnig. Nikotin ist aber auch insofern Gift für Bluthochdruckpatienten, als es bei mittel- und langfristigem Konsum zu Ablagerungen an den Gefäßwänden und damit zu gefährlichen Gefäßverengungen führt.
Das bringt’s: „Wer sich umstellt und sein Leben ohne Nikotin und zu viel Alkohol genießt, wird allein durch diese Maßnahme den Blutdruck zwar nur unwesentlich senken“, so Stulnig. „Doch das Aufgeben des Rauchens reduziert markant das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen, das bei Bluthochdruckpatienten groß ist.“
******************************
Wie hoch ist zu hoch?
Der Druck, den das Herz beim Pumpen des Bluts durch den Körper auf die Blutgefäße ausübt, gilt als optimal, wenn der obere, systolische, Wert bei 130 mm/HG (Millimeter-Quecksilbersäule) liegt und der untere bei 85 mm/HG. Je älter der Mensch wird, desto höher darf der Blutdruck sein – für einen 85-Jährigen ist ein Wert von 140 zu 90 normal.
***********************
Wie messe ich richtig?
- Selber messen! Wenn der Arzt misst, tritt häufig der sogenannte Weißkittel-Effekt auf: Der Blutdruck steigt allein wegen der Anwesenheit des Arztes.
- Einzelmessungen sind nicht aussagekräftig. Man sollte an 30 Tagen jeweils morgens zur selben Zeit und noch vor dem Frühstück messen. Wenn der behandelnde Arzt dazu rät, auch mittags und abends.
- Die Manschette eng um den Oberarm anlegen. Bei dicken Oberarmen besser am Handgelenk messen und das Gerät in Höhe der Oberarmmitte halten.
- Abwechselnd am linken und rechten Arm messen. Sind die Werte unterschiedlich, den Arzt davon informieren, denn daran könnte eine Gefäßverengung schuld sein.
- Sind die Werte (egal ob der obere oder der untere) an sieben der 30 Tage erhöht, den Arzt informieren.
- Die Werte am besten in eine Blutdrucktabelle eintragen, aus der sofort ersichtlich ist, wann welcher Wert erhöht war.
Buchtipps:
Stulnig, Höger
Ernährung bei Bluthochdruck
ISBN 978-3-85175-995-2
136 Seiten, € 14,90
Wilhelm Maudrich Verlag, 2014
Brussee, Valentin
Bluthochdruck im Griff
Ohne Medikamente zu Normalwerten
ISBN 978-3-99052-039-0, € 14,90
Verlagshaus der Ärzte Mai 2013
Ihre Blutdrucktabelle zum kostenlosen Download finden Sie auf www.medizinpopulaer.at/downloads
Stand 05/2015