An Diabetes mellitus, der Zuckerkrankheit, leiden weltweit immer mehr Menschen. So auch hierzulande: Derzeit sind nach Angaben der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) 600.000 Österreicherinnen und Österreicher betroffen, wobei rund 170.000 davon noch nichts von ihrer Erkrankung wissen. Bei ihnen wird das Leiden erst dann erkannt werden, wenn bereits Folgeschäden aufgetreten sind, wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Sehstörungen, der diabetische Fuß oder eine Nierenerkrankung. Dabei könnten heute alle Diabetiker ein beschwerdefreies Leben führen – vorausgesetzt, die Krankheit wird frühzeitig erkannt und behandelt.
von Mag. Sabine Stehrer
Man ist dauernd müde, muss häufig aufs Klo, hat viel Durst, leidet oft an Pilzinfektionen: Alles das können Symptome einer Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 sein. „Typ 1-Diabetiker leiden zudem an Appetitlosigkeit, der mit einem Gewichtsverlust verbunden ist, und oft haben sie auch Sehstörungen“, weiß Univ. Prof. Dr. Bernhard Ludvik, Facharzt für Innere Medizin am AKH in Wien und Präsident der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG). Wer auch nur eines der genannten Anzeichen an sich bemerkt, sollte so rasch wie möglich zum Hausarzt bzw. zur Hausärztin gehen und sich entsprechend untersuchen lassen. Ludvik: „Das ist wichtig, denn nur bei einer frühzeitigen Diagnose von Diabetes ist es möglich, durch eine individuelle Therapie Folgeschäden zu verhindern.“
Die Gefahr dieser Folgeschäden werde allzu oft unterschätzt. Dabei zählen dazu immerhin der diabetische Fuß, offene Wunden, die sich nur noch schwer schließen lassen, Augenerkrankungen, die sogar zur Blindheit führen können, Nierenerkrankungen, Nervenschäden, Schlaganfall und Herzinfarkt.
Das Insulinproblem
Was hinter dem Diabetes steckt, sind Schwierigkeiten bei der Produktion des Hormons Insulin, die in der Bauchspeicheldrüse erfolgt. Beim Diabetes Typ 2 wirkt Insulin nicht ausreichend an Leber- und Muskelzellen, um den Zucker so abzubauen wie bei Gesunden. Zusätzlich wird Insulin nicht in ausreichender Menge produziert. Bei Typ-1-Diabetes, einer Autoimmunkrankheit, zerstört der Körper nach und nach die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse, und zwar so lange, bis schließlich gar kein Insulin mehr hergestellt wird. Die Folgen sind, dass der Körper den Blutzucker gar nicht mehr abbaut und der Blutzuckerwert deutlich erhöht ist.
Ob Typ-1- oder Typ-2-Diabetes: Die Diagnose sei einfach, sagt Ludvik: „Bei beiden Arten des Diabetes ist lediglich eine Blutabnahme für die Messung des Zuckergehalts im Blut notwendig.“ Steht die Diagnose fest, so kann gleich die entsprechende Behandlung starten – und die wiederum richtet sich nach den Ursachen. „Daher muss die Therapie bei Typ-2-Diabetikern anders erfolgen, als bei Typ-1-Diabetikern.“
Typ-2-Diabetes
Bei Typ-2-Diabetikern, die mit 85 bis 95 Prozent aller Zuckerkranken in der großen Mehrheit sind, entsteht die Erkrankung in den meisten Fällen durch einen ungesunden Lebensstil, weiß Ludvik. „Der Großteil der Erkrankten hat sich jahre- und jahrzehntelang falsch ernährt und zu wenig bewegt, ist daher auch übergewichtig bis adipös.“
Ein weiterer Risikofaktor für die Entstehung des Diabetes ist das Alter: Von den Über-60-Jährigen leiden 14 Prozent an Diabetes, bei weiteren 16 Prozent liegt die Wahrscheinlichkeit, bereits erkrankt zu sein, bei 33 bis 50 Prozent. Auch ein Schwangerschaftsdiabetes und eine vererbte Neigung, zuckerkrank zu werden, können die Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 2 begünstigen. Ludvik: „Behandelt wird Diabetes Typ 2 zunächst durch eine Lebensstilveränderung. Das heißt, den Betroffenen wird geraten, zu versuchen, durch eine Ernährungsumstellung und ausreichend Bewegung das Normalgewicht zu erreichen.“ Gelingt das nicht und die Blutzuckerwerte bleiben weiter schlecht, „behandeln wir die Erkrankung mit Tabletten, die die Blutzuckerwerte normalisieren“. Funktioniert auch das nicht, wird mit einer Insulintherapie begonnen, bei der die Betroffenen selbst ihre Blutzuckerwerte messen und sich das Hormon Insulin auch selbst in der benötigten Menge injizieren.
Typ-1-Diabetes
50.000 bis 100.000 Menschen in Österreich sind Typ-1-Diabetiker. Bei fünf Prozent der Betroffenen leiden auch der Vater oder die Mutter an Typ-1-Diabetes. Welche Ursachen diese Form der Zuckerkrankheit abgesehen von der ererbten Neigung hat, wisse man noch nicht, sagt Ludvik. „Was wir aber wissen, ist, dass man Typ-1-Diabetes nicht verhindern kann, dass die Erkrankung meistens bereits im Kindes- und Jugendalter diagnostiziert wird, sie aber grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten kann.“
Der Typ-1-Diabetiker kann von den möglichen Folgeschäden der Zuckerkrankheit nur durch eine Hormonersatztherapie geschützt werden, der er sich lebenslang unterziehen muss. Dazu misst er seine Blutzuckerwerte selbst und injiziert sich selbst die benötigten Mengen an Insulin – oder führt sie sich über eine Insulinpumpe zu, die am Körper getragen wird.
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Therapie der Zukunft
Sowohl bei Typ-1- als auch bei Typ-2-Diabetikern ein notwendiger Bestandteil der Therapie sind, so Univ. Prof. Dr. Bernhard Ludvik, spezielle Vorsorgeuntersuchungen. Diese werden in Österreich von Allgemeinmedizinern, Fachärzten, in Diabetes-Ambulanzen und Krankenhäusern angeboten. Wird Diabetes in Zukunft einmal heilbar sein? Ludvik: „In ferner Zukunft vielleicht.“ Ein Weg zur Heilung könnte über die Injektion von insulinproduzierenden Zellen aus gespendeten Bauchspeicheldrüsen führen. Ein anderer über die Stammzellentherapie: Einem Team von Wissenschaftlern der Universität Würzburg ist es zumindest schon im Tierversuch gelungen, aus Stammzellen insulinproduzierende Zellen herzustellen.