Neurologie & Psyche

Schizophrenie

Anders als viele vermuten, haben Menschen mit Schizophrenie keine gespaltene Persönlichkeit. Die psychiatrische Erkrankung zeigt sich hingegen vor allem in Halluzinationen, einer Veränderung der Wahrnehmung und des Denkens. Wodurch die oft missverstandene Krankheit verursacht wird und was hilft.

von Mag. Sabine Stehrer

Auf einmal waren die Stimmen da. Sie tuschelten über mich. Erst haben sie sich nur darüber unterhalten, was ich gerade so mache. Später haben sie begonnen, über mich zu lästern, fast alle meine Handlungen negativ zu beurteilen. Sie redeten darüber, dass ich meinen Studienabschluss, der kurz bevorstand, nie und nimmer schaffen würde. Das hat mich, da ich deswegen sowieso gestresst war, richtig fertig gemacht, ich konnte nicht mehr schlafen, morgens war ich wie gerädert. Aber erst, als ich nicht mehr auf die Uni gehen konnte, bin ich zum Arzt, und von da in die Klinik. Dort wurde die Diagnose gestellt. „Schizophrenie“ lautete diese.  So wie der 25-Jährige, der sich unter dem Nickname „hoodie“ in einem Chatforum mit anderen Betroffenen über die psychiatrische Erkrankung austauscht, ist etwa ein Prozent der Bevölkerung schizophren.  Das sind in Österreich immerhin zwischen 80.000 und 90.000 Menschen – und dennoch ist Schizophrenie eine Krankheit der Missverständnisse: Viele vermuten, Schizophrene hätten eine gespaltene Persönlichkeit, wären zugleich ein guter und ein böser Mensch. Dies geht teils auf den Namen der Krankheit zurück, übersetzt aus dem Griechischen bedeutet Schizophrenie so viel wie zerspaltener Geist. Teils hängt das Missverständnis aber auch mit Darstellungen der Krankheit etwa in der Literatur oder im Film zusammen – wie beispielsweise im Gruselklassiker „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“.

Gesagtes wird unverständlich

Schizophrene für Menschen mit einer Persönlichkeitsspaltung zu halten, sei aber „völlig falsch“, erklärt dazu Univ. Prof. Dr. Johannes Wancata, Leiter der Abteilung für Sozialpsychiatrie am Wiener AKH, und ergänzt: „Die Betroffenen leiden vor allem an Halluzinationen, an einer Veränderung der Wahrnehmung und des Denkens.“ Unter den Halluzinationen ist so wie bei Chatter hoodie das Stimmen-Hören am häufigsten. Die Stimmen kommen aus dem Nichts, aus dem Radio, dem Fernsehen oder sie werden Anwesenden zugeordnet, die manchmal auch scheinbar über die Betroffenen reden, sie beleidigen, verängstigen.  Oft zählt außerdem zum Wahn Schizophrener, dass sie von Nachbarn beobachtet oder von Verbrechern verfolgt werden. Wancata über die weiteren Symptome der Krankheit: „Aufgrund der veränderten Wahrnehmung schätzen Schizophrene Äußerungen und Handlungen der Menschen in ihrem Umfeld häufig falsch ein und reagieren ungewöhnlich darauf.“ Die Denkstörung äußere sich wiederum darin, dass Erkrankte Sätze nicht fertig sprechen, da der Gedanke an das, was sie sagen wollten, abbricht, und schon wieder ein neuer Gedanke da ist. „An drei Wörter vom ersten Satz schließen dann zum Beispiel vier Wörter vom zweiten Satz an“, informiert Wancata. „Dadurch wird das Gesagte für andere unverständlich.“

Energie geht verloren

Halluzinationen, Wahn und Denkstörungen kommen hauptsächlich in akuten Krankheitsphasen vor und werden von Medizinern Positiv-Symptome genannt. Bei chronischen Verläufen der psychiatrischen Krankheit können auch sogenannte Negativ-Symptome auftreten. Wancata: „Das sind eine Antriebs- und Energielosigkeit, die Unfähigkeit, sich über etwas zu freuen und der soziale Rückzug.“ Oft kommt es dazu, dass Kollegen und Freunde das Verhalten Schizophrener nicht verstehen und sich ihrerseits von ihnen zurückziehen. Manche Betroffene führt dies in die Isolation, manche verlieren schließlich ihre Arbeitsfähigkeit und sind nicht mehr imstande, für sich zu sorgen.

Lebenserwartung ist reduziert

Statt aber dem – falschen – Bild von der Krankheit entsprechend für andere gefährlich zu werden, gefährden Schizophrene, so Wancata, „in Wahrheit viel häufiger sich selbst“. Diese Selbstgefährdung beruht hauptsächlich auf den ungewöhnlichen Reaktionen, zu denen Erkrankte neigen. Wancata: „An Schizophrenie Erkrankte können zum Beispiel oft einen Scherz nicht von ernsthaft Gemeintem unterscheiden, so kommt es zum Streit bis hin zu einer Schlägerei und Verletzungen.“ Sich selbst gefährden Schizophrene aber oft auch bedingt durch die Antriebs- und Energielosigkeit. Diese macht es vielen schwer, gesund zu leben, sich ausgewogen zu ernähren und ausreichend zu bewegen. Dadurch entstehen häufig Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes. Wancata: „Auch wegen dieser Begleiterkrankungen haben Schizophrenie-Patienten eine deutlich reduzierte Lebenserwartung.“

Immer mehrere Ursachen

Wie kann es zu all diesen Veränderungen kommen, was ist die Ursache für Schizophrenie? Wancata: „Die eine Ursache gibt es nicht, die Krankheit geht immer auf mehrere Ursachen zurück.“ Dazu zählt eine stark erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Stress. Diese kann von den Eltern oder Großeltern ererbt sein, wenn sie ebenfalls an Schizophrenie litten, aber auch Schwangerschafts- oder Geburtskomplikationen können zu einer gesteigerten Empfindlichkeit gegenüber Stress führen. Sowohl negativer Stress, etwa bedingt durch Kriegserlebnisse und Flucht, als auch positiver Stress, wie er beispielsweise in der Phase erster Verliebtheit entsteht, löst bei den Stressempfindlichen häufig Schizophrenie aus.
Des Weiteren ein Risikofaktor für den Ausbruch der Erkrankung ist der Konsum von Drogen, wie Amphetaminen, also Aufputschmitteln, Cannabis oder Kokain sowie von neuen Designer-Drogen. „Auch sie verändern den Gehirnstoffwechsel beziehungsweise jene Gehirnfunktionen, die vom Nervenbotenstoff Dopamin gesteuert werden, dahingehend, dass es zu den Symptomen der Schizophrenie kommt“, so Wancata.
Meist tritt die Krankheit bereits im Jugendalter ab dem 15. Lebensjahr und im jungen Erwachsenenalter auf, bei Männern früher als bei Frauen, Ersterkrankungen nach dem 35. Lebensjahr sind äußerst selten.

Frühe Behandlung chancenreicher

Zeigen sich die Anzeichen für die Erkrankung, warten Betroffene oft Monate oder Jahre, bis sie einen Arzt aufsuchen, „leider“, so Wancata, denn es gilt eines: „Je früher Schizophrenie diagnostiziert wird und eine Therapie beginnt, desto größer sind die Chancen, eine Verschlechterung zu verhindern, eine Besserung zu erzielen oder sogar geheilt zu werden.“ Das ist immerhin bei einem Fünftel der Patienten der Fall. Bei etwa einem Drittel bleibt es durch die Behandlung bei leichten Beschwerden, schwerer Erkrankte, die sich einer Therapie unterziehen, erleben meist eine gewisse Verbesserung. Basis der Behandlung sind Medikamente, die den Gehirnstoffwechsel beeinflussen. Welche zum Einsatz kommen, ob ewa Antidepressiva oder Beruhigungsmittel, hängt im Wesentlichen davon ab, ob Positiv-Symptome oder Negativ-Symptome bestehen. Außerdem hilfreich sind eine begleitende Psychotherapie, bei der unter anderem der Umgang mit den Symptomen erlernt wird, sowie eine Soziotherapie, die dazu dient, das Umfeld zu strukturieren, Tagesabläufe einzuhalten und Beziehungen zu gestalten. Dabei werden oft auch Angehörige oder andere Bezugspersonen einbezogen.
Je früher Schizophrenie diagnostiziert wird und eine Therapie beginnt, desto größer sind die Chancen, eine Verschlechterung zu verhindern, eine Besserung zu erzielen oder sogar geheilt zu werden.

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Wie erfolgt die Diagnose?
Diagnostiziert wird die Krankheit durch:

  • ein Arzt-Patient-Gespräch
  • eventuell eine Befragung von Angehörigen

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Wer gab der Krankheit ihren Namen?
Den Namen Schizophrenie gab der Krankheit der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler im Jahr 1908. Aus dem Griechischen übersetzt bedeutet Schizophrenie so viel wie „zerspaltener Geist“ – der Name wurde und wird oft fehlinterpretiert.

Foto: iStock, Marco_Piunti

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