Lunge, Atemwege & Allergien

Ragweed-Pollen auf dem Vormarsch

Immer mehr Menschen reagieren auf Ragweed-Pollen – mit teils heftigen allergischen Beschwerden. Woran man die hochallergene Pflanze erkennt, was gegen die Symptome hilft und wie man die Ausbreitung von Ragweed stoppen kann.

Von Natascha Gazzari

Dr. Markus Berger 
„Die Immun­therapie gewöhnt das Immunsystem schrittweise an Ragweed-Pollen, um die Allergie langfristig zu reduzieren.“

Ragweed (lateinischer Name Ambrosia artemisiifolia) wirkt eher unscheinbar und wird aufgrund seiner ein- bis zweifach fiederschnittigen Blätter im Volksmund auch als „Fetzenkraut“ bezeichnet. „Besonders wohl fühlt sich Ragweed – das aus botanischer Sicht zur Pflanzenfamilie der Korbblütler gehört – in Gebieten, in denen der Boden stark vom Menschen beeinflusst wird, etwa an Straßenrändern, auf Schutthalden, Baustellen oder Äckern“, berichtet Lukas Dirr, MSc, aerobiologischer Leiter des österreichischen Pollen­informationsdienstes. Hierzulande blüht Ragweed meist zwischen August und September, manchmal sogar bis in den Oktober hinein. Da die Pflanze relativ frostempfindlich ist und viel Sonnenlicht benötigt, ist Ragweed vor allem im Osten und Südosten Österreichs weit verbreitet. Besonders im Burgenland, in der Südsteiermark und in Kärnten erobert die Pflanze immer größere Gebiete. Auch im Tiroler Inntal wurde Ragweed bereits gesichtet. „Generell geht man davon aus, dass in Vorarlberg, Tirol und Salzburg weniger Ragweed vorkommt als im Rest des Landes“, so Dirr.

Milliarden an Pollenkörnern

So harmlos die Pflanze, die Mitte des 19. Jahrhunderts höchstwahrscheinlich durch verunreinigte Saatgutlieferungen aus den USA eingeschleppt wurde, auch aussehen mag: Ihr Pollen hat es in sich! Was Ragweed zum „Pollen-Hochrisikokandidat“ macht, erklärt Dr. Markus Berger, der ärztliche Leiter des österreichischen Polleninformationsdienstes: „Die männlichen Blütenstände von Ragweed produzieren – wie alle Samenpflanzen – Pollen. Anders als seine optisch ansprechenderen Verwandten, etwa Sonnenblumen oder Gänseblümchen, wird Ragweed jedoch nicht von Insekten bestäubt, sondern muss sich auf den Wind verlassen. Daher produziert es bis zu einer Milliarde Pollenkörner pro Pflanze.“

Lukas Dirr, MSc
„Besonders wohl fühlt sich Ragweed in Gebieten, in denen der Boden stark vom 
Menschen beeinflusst wird.“

An der Oberfläche und im Pollenkorn selbst sind Allergene, also allergieauslösende Proteine, zu finden. „Bereits geringste Konzentrationen von Ragweed-Pollen in der Luft können zu schweren allergischen Beschwerden führen“, so der Mediziner. Neben klassischen Heuschnupfen-Symptomen verursachen Ragweed-Pollen vergleichsweise häufig auch Asthma- oder Hautsymptome. Allergikerinnen und Allergiker sollten daher nicht nur den Kontakt mit dem Pollen, sondern auch den Hautkontakt zur Pflanze vermeiden.

Austesten und behandeln

Treten die typischen Beschwerden einer allergischen Rhinokonjunktivitis wie Niesattacken und tränende Augen jährlich im Spätsommer bzw. Frühherbst auf, sollte an eine Ragweed-Allergie gedacht werden. Die Austestung erfolgt – wie bei anderen Pollenallergien – meist durch eine Kombination aus Hauttest (Prick-Test) und Blutuntersuchung. Wurde eine Ragweed-Allergie diagnostiziert, kann auf mehreren Ebenen angesetzt werden: Eine wichtige Säule der Therapie ist die Allergenkarenz, also die Vermeidung des Kontakts mit dem allergieauslösenden Stoff. Zur symptomatischen Behandlung der Beschwerden kommen Antihistaminika sowie Nasensprays mit Kortison zum Einsatz. „Sollten diese Medikamente, die nur die Symptome lindern und nicht die Ursache behandeln, nicht ausreichen, wird eine allergenspezifische Immuntherapie empfohlen“, erklärt Berger. Voraussetzung für eine allergenspezifische Immuntherapie (SIT) ist das Vorliegen von positiven Antikörpern gegen das Hauptallergen Amb a1. 

„Die Immuntherapie gewöhnt das Immunsystem schrittweise an Ragweed-Pollen, um die Allergie langfristig zu reduzieren“, erläutert der Arzt. Die Behandlung muss mindestens drei Jahre lang durchgeführt werden und steht in Form von Spritzen (subkutane Immuntherapie) sowie als Tropfen bzw. Tabletten (sublinguale Immuntherapie) zur Verfügung.

Ausbreitung stoppen

Trotz der zunehmenden Ausbreitung von Ragweed in Österreich und Europa kann jede und jeder Einzelne dazu beitragen, die Pflanze zu stoppen. So empfiehlt Experte Dirr beispielsweise beim Kauf von Vogelfutter darauf zu achten, dass dieses negativ auf Ragweedsamen getestet wurde. Wer Ragweed im eigenen Garten entdeckt, sollte die Pflanze noch vor der Blüte ausreißen, um zu verhindern, dass Pollen oder Samen in die Umwelt gelangen. „Zum Schutz sollten beim Entfernen Handschuhe getragen werden, am besten auch eine Sonnenbrille und eine Atemschutzmaske, um den Kontakt der Allergene mit Augen, Nasenschleimhaut und Lunge zu vermeiden“, so die Empfehlung von Dirr. Ausgerissene Ragweed-Pflanzen sollten in einem Müllbeutel im Restmüll entsorgt werden – nicht auf dem Kompost oder im Biomüll.


Fotos: foto wilke, istockphoto/maryviolet, Sandra Schmid Fotografie

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