Männergesundheit

Karl Stoss

„Den Gedanken, mir mehr Zeit für mich nehmen zu wollen, habe ich als erstes auf einem Berg gehabt”

Nach zehn Jahren als Generaldirektor der Casinos Austria und der Lotterien beschloss er, als Chef des Glücksspielunternehmens aufzuhören – unter anderem, um mehr Zeit für sich, seine Gesundheit und sein liebstes Hobby, das Bergsteigen, zu haben. Im Gespräch mit MEDIZIN POPULÄR erzählt der 60-Jährige, wo und wie er diese Entscheidung traf, was er an seiner früheren Tätigkeit vermisst, was er am Bergsteigen mag und welcher Berg sein nächstes Ziel ist.

Von Mag. Sabine Stehrer

MEDIZIN POPULÄR: Herr Dr. Stoss, jetzt im September befinden wir uns sozusagen am Höhepunkt der Bergsaison. Auf welchen Gipfel werden Sie als nächstes steigen?

Dr. Karl Stoss: Auf den Machu Picchu, den Gipfel oberhalb der gleichnamigen Inka-Stadt in Peru.

Soweit ich weiß, ist der Machu Picchu über 3000 Meter hoch, damit fällt der Aufstieg in die Kategorie ‚Höhenbergsteigen’, das noch einmal anstrengender ist, als ‚normales’ Bergsteigen, da sich der Körper zusätzlich
an die Höhe anpassen muss …

…genau das habe ich gern. Bergsteigen in diesen Höhen, noch mehr ab 4000, 5000, 6000 Metern fordert den Körper zwar sehr, allein da er mehr rote Blutkörperchen bilden muss, um aus der dünnen Luft genügend Sauerstoff aufnehmen zu können, und nimmt also einige Kraft, gibt aber auch unglaublich viel Kraft. Wenn ich zwei, drei Wochen auf einer Tour bin, um einen Gipfel wie den Lhakpa Ri in Tibet zu erreichen, den mit 7045 Metern höchsten Berg, auf dem ich bisher war, lädt dies meine Batterien für zwei Jahre auf.

Woran liegt das?

Am Erfolgserlebnis, das sich einstellt, wenn der Gipfel erreicht ist. Am Lebenselixier Natur. An der Einfachheit des Lebens während der Tour, und daran, dass sich aufgrund dieser Einfachheit und beim meist eher schweigsamen, langsamen Gehen die Möglichkeit eröffnet, meditativ in sich hinein zu denken: über das Jahr nachzudenken, das vorübergegangen ist, über das Leben, so wie es gerade ist, darüber, ob dieses Leben veränderungswürdig ist, und wenn ja, dann wie?

Das klingt so, als hätten Sie die Entscheidung, Ihre Funktion als Casinos Austria-Generaldirektor nicht mehr weiter ausüben zu wollen, während einer Bergtour getroffen?

Tatsächlich habe ich den Gedanken, mehr zum Egoisten werden zu wollen, mir mehr Zeit für mich nehmen zu wollen, als erstes am Illimani, ein 6439 Meter hoher Berg in den bolivianischen Anden, gehabt. Ich habe den Gedanken dann aber einmal setzen lassen. Bei einer Tour auf den Großglockner fragte ich mich neuerlich, was ich will. Ob ich das Materielle, den guten Verdienst und die Annehmlichkeiten, die damit verbunden sind, wirklich beiseitelassen will, um im ja enden wollenden Leben mehr vom wertvollsten Gut, das der Mensch hat, der Zeit, haben zu können. Da die Antworten alle ‚Ja‘ lauteten, verfestigte sich auf dem Glockner der Gedanke zum Entschluss.

Immerhin auf dem mit 3798 Metern Höhe höchsten Berg Österreichs …

(Lacht). Ja, genau. Aber vielleicht kam es auch deswegen dort zu meinem Entschluss, da der Großglockner ein besonderer Kraftberg ist: Den Glockner durchlaufen Kraftlinien, die Energie geben. Darum habe ich auch einen Talisman von dort, einen Bergkristall.

Gibt Ihnen dieser Bergkristall auch Energie für das Training für Ihre Touren?

Die Vorbereitung findet eher im Kopf statt, eigens dafür trainieren brauche ich nicht. Hin und wieder hier in Wien auf den Kahlenberg oder den Cobenzl hinaufzugehen und in den Bergen um Wien Touren mit dem Mountainbike zu machen, im Winter Skitouren: Das reicht mir, um so fit zu bleiben, dass ich aus dem Stand heraus eine größere Bergtour machen kann.

Woher rührt Ihre Liebe zu den Bergen?

Ich bin in Vorarlberg, in Dornbirn, aufgewachsen und hatte einen das Bergsteigen liebenden Turnlehrer. Der hat die Turnstunden aufgespart, um für drei, vier Stunden mit uns in die Berge gehen zu können. Das hat mir damals nicht so sehr gefallen, letztlich aber wohl meine Leidenschaft entfacht.

Eventuell hat der Turnlehrer gedacht, vom Bergsteigen lässt sich viel für das Leben lernen?

Wenn er das dachte, hat er recht gehabt. Insbesondere für das Berufsleben und vor allem für das Management eines großen Unternehmens kann man viel von den Bergen lernen. Da wie dort setzt man sich ein konkretes Ziel, strengt sich an, um es zu erreichen, wagt etwas, trifft Entscheidungen, ist in der Gruppe unterwegs, sollte den Kontakt zu den Mitgehenden und die Bodenhaftung nicht verlieren, sollte sich Experten holen und ihnen vertrauen, zum Beispiel auch umkehren, wenn sie meinen, dass dies nötig ist.

Was an Ihrer früheren Tätigkeit vermissen Sie?

Der Abschied von meinen engeren Mitarbeitern war mit Wehmut verbunden, auch weil ich gegangen bin, als es am schönsten war und wir die besten Bilanzen der 50-jährigen Geschichte der Casinos Austria und der Lotterien hatten. Aber ich werde meine nun ehemaligen Mitarbeiter so wie früher auch künftig zu Bergtouren einladen.

Was, außer Bergsport zu betreiben, tun Sie noch für Ihre Gesundheit?

Jetzt habe ich nun einmal eingeschränkt, was ich in den vergangenen Jahren tat und das ganz bestimmt gar nicht gesund ist: Zu viel arbeiten. Zuletzt bin ich im Jahr auf 200 Flüge gekommen. Die Tage waren durchgetaktet mit Terminen, die Abende habe ich meistens bis gegen Mitternacht bei Arbeitsessen verbracht, geschlafen habe ich fast immer nur vier bis fünf Stunden. Jetzt brauche ich, wenn ich das nicht mehr möchte, nach 17 Uhr nichts mehr essen, was ich als Luxus betrachte und für gesund halte, kann außerdem mehr auf eine gesunde Ernährung achten, ausreichend schlafen und öfter Yoga betreiben.

Das überrascht mich, weil Männer, die Yoga betreiben, doch eher eine Minderheit sind.

Ich mache es, um meinen Körper besser kennenzulernen, zu innerer Balance zu finden, zur Entspannung.

Andere finden zum Beispiel bei Besuchen im Casino Entspannung. Nützen Sie die neu gewonnene Zeit auch dafür, um öfter in ein Casino zu gehen?

Nein, das mache ich nicht, denn ich bin keine Spielernatur. Auch will ich das Glück nicht noch extra herausfordern, es nicht überstrapazieren. Denn ich blicke mit Ehrfurcht darauf zurück, wie viel Glück ich in meinem Leben bereits hatte, sowohl geschäftlich, als auch privat. Was ich in Zukunft tun möchte, ist, mich mehr meiner Familie und Freunden widmen und mich verstärkt sozial engagieren. Dies nicht nur in Form von Geld- oder Sachspenden, wie ich das bisher getan habe, sondern mit persönlichem Einsatz. Zum Beispiel, indem ich Kindern und Jugendlichen in Asien helfe, ihnen etwas beibringe, sie in Wirtschaftsenglisch unterrichte oder ihnen wirtschaftliche Zusammenhänge erkläre.

Warum gerade Kindern in Asien?

Ich werde älter, und in Asien, wie im Himalaya-Gebiet oder in Thailand, haben die Menschen eine besondere Achtung vor Älteren.

Was machen Sie, wenn Ihnen einmal langweilig wird?

Dazu wird es nicht kommen (lacht), denn ich bin ja auch noch Aufsichtsrat in etlichen Unternehmen wie bei Signa, der UNIQA, der Silvretta Montafon Bergbahnen, außerdem ehrenamtlich für das Internationale Olympische Comité IOC und als Präsident für das Österreichische Olympische Comité ÖOC tätig.

Als ÖOC-Präsident engagieren Sie sich dafür, dass die Olympischen Winterspiele 2026 in Tirol stattfinden …

…Weil ich die Idee, dass die Spiele 50 Jahre nach den Winterspielen in Innsbruck 1976 neuerlich in Tirol durchgeführt werden und zum Teil eventuell im angrenzenden Salzburg, außerordentlich gut finde. Denn dort haben wir alles: Die gesamte nötige Infrastruktur für den Sport und die Unterbringung ist bereits vorhanden. Wir brauchen keine weißen Elefanten schaffen, also Dinge bauen, die dem Steuerzahler viel Geld kosten und nach den Spielen nutzlos sind.

Kurz & Persönlich

  • Geboren und aufgewachsen: in Dornbirn
  • Lieblingsort in Österreich: Lech
  • Liebster Urlaubsort: Berge
  • Lieblingsberg in Österreich: Großglockner
  • Liebster Berg im Ausland: Chou Ouyo oder Kailash, Tibet
  • Hobbys: Natur, Berggehen, Schwimmen, Skitouren
  • Lieblingsessen: Kässpätzle
  • Lieblingsgetränk: Gingertee
  • Bevorzugte Musik: Klassische Musik

Foto: ÖOC

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