„Wichtig ist, im Kopf jung zu bleiben“. Michael Schottenberg über sein neues Leben als Reisebuchautor, seine Vergangenheit in anderen kulturellen Sphären und die Frage, warum er mit einer roten Vespa durch Stadt und Land tourt.
Von Mag.a Sabine Stehrer
MEDIZIN POPULÄR: Herr Schottenberg woran schreiben Sie denn gerade?
An einem Buch, das ich demnächst schon abzugeben habe, deswegen bin ich fast etwas im Stress. Es geht darin wieder um Reisedestinationen in der weiten Welt. Zuletzt haben mich meine Reisen pandemiebedingt ausschließlich in die nähere Umgebung geführt. Also durch Österreich, einzelne Bundesländer und durch Wien.
In den Büchern, die durch Österreich führen, sind Sie immer auf einer roten Vespa fahrend zu sehen …
Ja, das ist aber kein Marketing-Gag. Nur für lange Strecken nehme ich den Zug. Sonst fahre ich wirklich oft mit der Vespa, weil ich auch sehr gern damit fahre, denn ich habe mir damit einen Kindheitstraum erfüllt. Als Kind habe ich nämlich immer wieder einmal Filme gesehen, in denen Peter Kraus blödelnd und seichte Schlager singend auf einer Vespa durch südliche Gefilde und am Meer entlanggefahren ist. Da hat sich in meinem Kopf das Bild von der Vespa mit so einem Gefühl der Leichtigkeit und einem Sommerfeeling verbunden, und dieses Bild wollte nicht mehr aus meinem Kopf hinaus. Vor zehn Jahren habe ich mir dann eine Vespa gekauft. Dass sie rot sein musste, ist wieder eine andere Geschichte.
Wenn Sie mit der Vespa durch ganze österreichische Bundesländer fahren, um für Ihre Bücher zu recherchieren: Werden Ihnen die Fahrten da nicht zu lang?
Wissen Sie, als Theatermensch war ich auch viel unterwegs. Um Ablenkung vom stressigen Beruf zu finden, habe ich jede freie Minute genützt, mich ins Flugzeug gesetzt und bin woanders hingeflogen. So habe ich viele Hotels und Hotelpools der Welt gesehen, als Tourist neben anderen Touristen. Nachdem ich mit dem Theater Schluss gemacht hatte, war ich in Südostasien. Dort habe ich das lange und langsame Reisen schätzen gelernt.
Ist das langsame Reisen gesünder?
Für die Umwelt auf jeden Fall. Aber auch für den Geist und für die Sinne, denn durch die Langsamkeit kann man ein fremdes Land mit allen Sinnen besser wahrnehmen, sinnlich wahrnehmen, intensiv wahrnehmen, Menschen treffen und Menschen kennenlernen. Das Ergebnis beschreibe ich dann in meinen Büchern, wo ich versuche, vom Allgemeinen ins Besondere zu kommen und wieder zurück. Deswegen sehe ich mich eigentlich gar nicht als Reisebuchautor, eher als Reisephilosoph. Als solcher geht es mir zwar schon auch um Dinge, mehr noch aber um Atmosphären, weil ich finde, wie es ist, vor einem Ticketschalter an einem Bahnhof zu warten und wie es dort riecht, sagt viel über die Seele eines Landes aus. Genau wie die Menschen, die in dem Land leben. Ich schreibe oft über solche, die etwas Ungewöhnliches tun. Wenn ich ihre Sprache nicht spreche, wie das zum Beispiel in Vietnam der Fall war, führe ich mit Gesten und der Mimik Dialoge mit ihnen. Den Ausdruck fürHunger oder für Staunen, ein Lächeln oder das Herz als Zeichen für Liebe, das und noch viel mehr versteht international jeder.
Vermissen Sie manchmal etwas aus Ihrer Vergangenheit in den anderen kulturellen Sphären, etwa im Film oder am Theater?
Ich bin dankbar für alles Erlebte. Denn ohne meine bewegte und vielfältige Vergangenheit im Darstellerischen und das Wissen, wie Dramaturgie geht, könnte ich das, was ich jetzt schreibe, gar nicht schreiben. Ich vermisse aber nichts. Und ich wüsste auch nicht, wozu es gut sein sollte, das eine oder andere wieder zu tun. Ich habe alles abgestochen, und etwas zu wiederholen, wäre ja fad. Ich brauche immer neue Eindrücke, eine neue Challenge, und ich habe die Erfahrung gemacht, es ist gut, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Denn alles, was man noch nicht kann, könnte wertvoller sein als das, was man kann.
Hat Sie diese Einstellung auch zur Teilnahme an „Dancing Stars“ motiviert?
Diese Herausforderung habe ich auch deswegen angenommen, weil die Sendung viel kann. Sie begleitet Menschen in herausfordernden Situationen. Man sieht, wie er oder sie sich tut, beim Lernen und beim Versagen. Und die Sendung kann Wunder erzählen. Dass ich da bis ins Finale gekommen bin, hätte ich mir nie gedacht. Weil ich war davor alles andere als ein Tänzer und alles andere als interessiert am Tanzen.
Haben Sie sich aus dieser Zeit sportlich etwas bewahrt, machen Sie zum Beispiel Teile des Trainings nach wie vor, um sich fit zu halten?
Ich quicksteppe jeden Tag durch die Wohnung (lacht). Nein, ich mache gar nichts mehr davon. Aber ich bin auch nicht ins Fauteuil gesunken, um da nicht mehr herauszukommen. Ich war immer schon beweglich und bin früher Marathons gelaufen. Heute, mit 70, mache ich das zwar nicht mehr und auch keinen Stabhochsprung mehr, aber ich strenge mich beim Radfahren an und beim Umsetzen von Hortensien im Garten. Wichtig ist, geistig, im Kopf, jung zu bleiben, indem man eben immer auch wieder etwas macht, was man nicht kann. Diese Herausforderung setzt viel frei. Sie bringt Sauerstoff ins Gehirn, sie bringt Glücksgefühle. Und sie bringt geistige Kraft, die, wie ich meine, nicht nur den Verkalkungsprozess im Hirn verzögert, sondern auch den in den Knochen.
Ihre Bücher zeigen, dass Sie das können, was Sie jetzt machen, also das Schreiben. Welche Herausforderung gehen Sie als nächstes an?
Ich habe viele Träume. Noch nie gemacht habe ich Radio, und auch gemalt habe ich nie. Beides kann ich also nicht. Das wäre es wert, es zu versuchen. Dass ich schreiben kann, empfinde ich aber übrigens nicht so. Vor allem immer dann nicht, wenn ich mein Ehrenamt ausübe und als Lesepate mit Volksschulkindern lese, wie zuletzt „Nero Corleone“, ein Buch von Elke Heidenreich, die so befreiend einfach so viel ausdrücken kann. Auch habe ich einmal miterlebt, wie Gerhard Roth auf die Schnelle und mit enormer Leichtigkeit mit dem Bleistift etwas wohin geschrieben hat und sofort die richtigen Worte dastanden. Ich selbst verzettele mich beim Schreiben oft. Es dauert noch, bis ich das kann.
Zur Person: MICHAEL SCHOTTENBERG
Michael Schottenberg wurde am 10. Juli 1952 in Wien geboren und ist in Wien aufgewachsen.
Die Schauspielausbildung absolvierte er am Salzburger Mozarteum. Danach war er darstellerisch am Theater, im Kino, TV und Musical tätig sowie überall dort auch als Regisseur, Bühnen- und Drehbuchautor.
Er erzielte immer wieder Publikumsrekorde und erhielt zahlreiche Preise. Nach zehn Jahren als Direktor des Volkstheaters Wien wechselte er 2015 das kulturelle Fach und ist seither Reisebuchautor.
Neben „Österreich für Entdecker“ und „Wien für Entdecker“ schrieb er etwa auch „Niederösterreich für Entdecker“, „Burgenland für Entdecker“, „Die Welt für Entdecker“ „Von der Bühne in die Welt – unterwegs in Vietnam“ und soeben „Vom Entdecken der Welt“, das Buch zur TV-Sendung „Schotti to go“ im „Studio 2“ von ORF 2, das im Mai 2023 erscheint.
2019 trat er bei „Dancing Stars“ an und erreichte den zweiten Platz.
Foto: UlrikHoelzel