Schon zum dritten Mal in diesem Winter rinnt die Nase, kratzt der Hals? Manche Menschen erwischt es viel öfter als andere.
Für MEDIZIN populär erklärt ein Experte, woran das liegen kann.
Von Mag. Alexandra Wimmer
5 Schnupfenfallen
Drei Niesanfälle im Lauf eines Nachmittags und eine heisere Stimme: Simon H. kennt die Vorzeichen, ihm schwant Unangenehmes: Eine Erkältung ist im Anmarsch, schon die zweite in diesem Winter. Während seine Freundin mit einer Verkühlung pro Jahr „auskommt“, hat er zumindest dreimal jährlich mit rinnender Nase, Heiserkeit und Fieber zu kämpfen.
Die Verursacher der lästigen Erkältungskrankheit sind schnell ausgemacht: Viren, allen voran Atemwegsviren, dringen mit Vorliebe „tröpfchenweise“ in den Körper ein und treiben ihr krankmachendes Spiel. Warum es manche öfter als andere erwischt, liegt allerdings an verschiedenen Risikofaktoren. „Sie alle beeinflussen die Empfänglichkeit für krankmachende Keime in unterschiedlicher Gewichtung“, betont Univ. Prof. Dr. Christoph Steininger von der Klinischen Abteilung für Infektiologie und Tropenmedizin an der Medizinischen Universität Wien. Die unangenehmen Folgen dieser Schnupfenfallen: Die Betroffenen erkranken öfter, schwerer oder laborieren länger an Erkältung & Co.
Falle 1: Menschenmengen
Womöglich ist Simons Infektanfälligkeit einfach auf die widrigen Umstände zurückzuführen? Im Vergleich zu seiner Freundin sieht er sich jedenfalls im Nachteil: Während sie ihr Büro zu Fuß erreicht, muss er die gesteckt volle U-Bahn nehmen; sie teilt ihr Zimmer mit nur einer Kollegin, er hat im Frontoffice einer Bank ständig Kundenkontakt. „Der Aufenthalt in engen Räumen, in denen sich viele Menschen aufhalten, sei es in Bussen oder U-Bahnen, begünstigt die Übertragung“, erklärt Steininger. Wird dann gehustet oder geniest, steigt das Risiko, Viren „aufzuschnappen“.
Falle 2: Mangelnde Handhygiene
Die Mehrzahl der Infektionen, die zu einer Atemwegserkrankung führen, wird zwar beim Niesen oder Husten via Tröpfchen übertragen. „Das schließt allerdings nicht die Übertragung durch Schmierinfektion durch verunreinigte Hände aus“, betont Christoph Steininger. Sei es auf Türschnallen oder Haltegriffen in Bus und Bahn: Viren können außerhalb des Körpers stunden- und mitunter tagelang überleben. Hände, Handgelenke und Fingerzwischenräume sollten deshalb regelmäßig und gründlich mit Wasser und Seife gereinigt werden. Noch effektiver sind Händedesinfektionsmittel. „Dabei muss darauf geachtet werden, dass sie eine viruzide, also eine Wirkung gegen Viren, haben“, erklärt der Mediziner.
Falle 3: Stress und Schlafmangel
Auch der Lebensstil spielt punkto Anfälligkeit eine Rolle: Wer wie der Bankangestellte Simon viel um die Ohren hat, gestresst ist oder zu wenig schläft, dessen Immunabwehr ist geschwächt. Damit steigt die Empfänglichkeit des Organismus für Erkältungs- und Grippeviren. Denn: „Um zu erkranken, braucht es nicht nur das Vorhandensein von Erregern, die Erreger brauchen auch einen empfänglichen Organismus“, erläutert Experte Steininger.
Falle 4: „Gedächtnislücken“ des Immunsystems
Das Immunsystem ist noch in anderer Hinsicht bedeutsam: Wenn der Organismus z. B. eindringende Keime nicht kennt, fällt es schwerer, sich diese vom Leib zu halten. Wenn man hingegen mit bestimmten Virenstämmen bereits Kontakt hatte, „erinnert“ sich das Immunsystem daran und entwickelt eine bessere Abwehr – man nennt dies „immunologisches Gedächtnis“. Dies zeigte sich z. B. beim Ausbruch der Neuen Grippe H1N1 vor wenigen Jahren, als auffällig selten Menschen über 60 davon betroffen waren. „Man geht davon aus, dass sie vor einigen Jahrzehnten mit einem ähnlichen Virenstamm konfrontiert waren“, berichtet Steininger. Das immunologische Gedächtnis, das aufzubauen Ziel jeder Impfung ist, fördert eine rasche Elimination der Viren, bevor es zu einer Erkrankung kommt, und bietet damit Schutz.
Falle 5: Chronische Krankheit
Nicht zuletzt erhöhen chronische Krankheiten die Anfälligkeit z. B. für Erkältungen bzw. das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Dazu zählen chronische Atemwegserkrankungen wie COPD, Diabetes, Herzkreislauf- und Autoimmunerkrankungen. „Barrieren, die der Keimabwehr dienen, funktionieren dann weniger gut“, nennt der Virologe einen Grund. Wenn sich beim COPD-Patienten z. B. Schleim in den Lungen sammelt, bietet dies Erregern optimale Bedingungen, um sich zu vermehren. „Und weil der Weg für die Abwehrzellen durch den Schleim erschwert ist, kann das Immunsystem nicht so effektiv arbeiten“, präzisiert Steininger.
Diabetikern bereitet vor allem die Reaktion des Körpers auf jede Entzündung Probleme. Christoph Steininger: „Dann werden die Stresshormone, allen voran Cortisol, nach oben reguliert, sodass bei einer akuten Infektion oft die Blutzuckerwerte entgleisen.“ Für Herzkreislaufpatienten, deren Herzkreislaufsystem ohnehin am Limit arbeitet, stellt schon eine leichte Atemwegsinfektion „eine schwere zusätzliche Belastung dar“, so der Arzt. Bei Multipler Sklerose können Infektionen einen Schub auslösen und damit den Verlauf der Autoimmunerkrankung beschleunigen. Aus diesen Gründen wird eine jährliche Grippeimpfung insbesondere diesen Patienten empfohlen.
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Wie oft? Wie schwer? Wie lang?
Unterschiede bei Jung und Alt
Kinder erkranken wesentlich öfter als Erwachsene – zehn Erkältungen im Jahr sind durchaus normal. „Sie erkranken in der Regel weniger stark, sind aber die Keimträger Nummer eins, vor allem bei Atemwegsinfektionen“, erklärt der Internist und Virologe Univ. Prof. Dr. Christoph Steininger. Hinzu kommt, dass Kinder deutlich länger als Erwachsene die Krankheitserreger ausscheiden. Dass die Keime bei jungen Menschen länger „im Umlauf“ sind, hat mit dem weniger ausgeprägten immunologischen Gedächtnis zu tun. „Je mehr Kontakt man im frühen Kindesalter mit derartigen Keimen hat, umso rascher entwickelt sich ein immunologisches Gedächtnis“, präzisiert Steininger. „Das erwachsene Immunsystem hat bereits mehr Erfahrung mit diesen Keimen und kann dadurch die Erkrankungsdauer und die Ausscheidungsdauer wesentlich verkürzen.“
Und wie oft erwischt es Erwachsene im Durchschnitt?
Bei bis zu drei, vier Erkältungen im Jahr „muss man sich keine Sorgen machen“, beruhigt der Facharzt. Mit zunehmendem Alter erkranken Erwachsene zwar nicht häufiger, aber schwerer. „Das hat damit zu tun, dass das immunologische Gedächtnis nicht mehr so gut funktioniert“, erklärt Steininger. „Schließlich altert auch das Immunsystem, sodass es Infektionen weniger gut bewältigt.“