„80 Prozent der Bevölkerung werden mindestens einmal im Leben von Kopfschmerzen geplagt“, weiß Neurologe Assoc. Prof. Dr. Gregor Brössner. Somit gehören Kopfschmerzen zu den häufigsten Gesundheitsproblemen, die Medizin kennt mehr als 200 Kopfschmerzarten. Trotz ihrer unterschiedlichen Erscheinungs- und Verlaufsformen lassen sie sich gut diagnostizieren und effektiv behandeln.
von Mag. Wolfgang Bauer
Unterschiedliches Erscheinungsbild
Kopfschmerzen können Begleiter anderer gesundheitlicher Probleme sein. Etwa eines grippalen Infekts. Nach dessen Abklingen verschwindet auch das Kopfdröhnen wieder. Kopfschmerzen können aber auch ein Hinweis auf eine ernste Erkrankung sein. Die folgenden drei Kopfschmerzarten (Migräne, Spannungskopfschmerz und Cluster-Kopfschmerz) machen zusammen etwa 90 Prozent aller Beschwerdebilder aus.
Migräne – der halbseitige Schmerz
„Etwa 13 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher leiden unter Migräne“, sagt Assoc. Prof. Priv. Doz. Dr. Gregor Brössner, Leiter der Ambulanz für Kopfschmerzen an der Universitätsklinik für Neurologie in Innsbruck und Präsident der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft. Migräneattacken können zwei Mal pro Jahr auftreten, es kann aber auch vorkommen, dass Betroffene 20 oder mehr Attacken pro Monat erleiden. Die Kopfschmerzen kommen anfallsartig, sind meist halbseitig, manchmal gehen ihnen bestimmte Vorboten wie Sehstörungen voraus (eine so genannte Aura). Sie werden häufig von Übelkeit und Erbrechen begleitet sowie von Licht- und Lärmempfindlichkeit.
„Wir wissen, dass das Gehirn der Betroffenen anders arbeitet, dass einzelne Strukturen besser durchblutet sind und mehr Aktivität aufweisen“, sagt Gregor Brössner über die Ursachen. Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle, ebenso bestimmte Eiweißsubstanzen (sogenannte Neuropeptide) im Gehirn.
Migräne wird durch ein ärztliches Gespräch festgestellt. Für die Behandlung stehen spezifische Medikamente aus der Gruppe der Triptane zur Verfügung – sie hemmen die Ausbreitung der Schmerzen und verengen die erweiterten Blutgefäße im Gehirn. Auch Schmerzmittel können helfen. Wichtig ist auch, dass Betroffene die ihnen bekannten Auslöser vermeiden.
Häufiger drückender Kopfschmerz
An die 70 Prozent der Frauen und Männer leiden zumindest gelegentlich an Kopfschmerzen des Spannungstyps. Was diese am häufigsten auftretende Kopfschmerzart genau verursacht, ist noch nicht eindeutig geklärt. Verspannungen der Muskeln im Bereich des Nackens oder an der Stirn, der Schläfe oder am Hinterkopf scheinen eine Rolle zu spielen, ebenso eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit. „Die Abklärung geschieht in Form eines ärztlichen Gesprächs, bei bestimmten Verdachtsmomenten auch mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wie Computertomographie oder Magnetresonanztomographie“, so Neurologe Brössner.
Wenn die Beschwerden nicht sehr häufig auftreten oder einen milderen Verlauf haben, dann müssen sie nicht unbedingt behandelt werden, erläutert der Kopfschmerzspezialist. In diesen Fällen können Entspannungsübungen wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson hilfreich sein. Ausdauersport wie Nordic Walking, Radfahren oder Schwimmen haben vor allem vorbeugende Wirkung. Bei stärkerem Leidensdruck können für kurze Zeit Schmerzmittel eingesetzt werden. Häufig ist die Kombination aus medikamentöser Therapie, Entspannungsübungen und regelmäßiger Bewegung ein guter Weg, um Spannungskopfschmerzen in den Griff zu bekommen.
Patientin Christa Danko ist noch auf Suche nach effektiver Entlastung und Hilfe (siehe Interview „Wie fühlt sich Ihr Kopfweh an?“, unten). Sie möchte im Bundesland Salzburg eine Selbsthilfegruppe gründen, wie es sie für Migränepatienten gibt, um sich mit anderen Betroffenen austauschen zu können.
Cluster-Kopfschmerz
„Was die Ursachen des Cluster-Kopfschmerzes angeht, so vermuten wir den Ausgangspunkt der Beschwerden im Hypothalamus, das ist jenes Hirnareal, das unter anderem auch für den Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich ist“, sagt Neurologe Brössner. Neben Triptanen hilft auch die Verabreichung von medizinischem Sauerstoff über eine spezielle Maske.
Allgemeine Maßnahmen zur Vorbeugung
Wie bereits erwähnt, haben Entspannungstechniken zur Vermeidung oder zum Abbau von Stress sowie regelmäßiger Ausdauersport eine vorbeugende Wirkung, vor allem bei Spannungskopfschmerzen. Ein regelmäßiger Tagesablauf (z. B. zur gleichen Zeit schlafenlegen oder aufstehen) sowie die Vermeidung von Alkohol können Kopfschmerzen ebenfalls in Schach halten. Auch bestimmte Medikamente haben sich in der Vorbeugung bewährt. Wie etwa Antidepressiva bei Spannungskopfschmerz. Brössner: „Das hat weniger mit der negativen Stimmung der Schmerzpatienten zu tun, sondern Antidepressiva greifen nachweislich in das Schmerzgeschehen ein“. Das tun auch Betablocker oder Antiepileptika, vor allem bei leidgeplagten Migränepatienten.
Wann zum Arzt?
„Wenn Kopfschmerzen immer wieder kehren oder belastend sind, gehen Sie zum Arzt, lassen Sie diese Schmerzen abklären!“, empfiehlt Kopfschmerzspezialist Brössner. Umgehend zum Arzt sollte man seiner Ansicht, wenn Kopfschmerzen plötzlich auftreten, wenn sie mit neurologischen Ausfällen einhergehen oder wenn die Betroffenen auf kein Medikament ansprechen. Kurzum: wenn die Schmerzen eine neue, unbekannte Qualität aufweisen. Vor allem, wenn die Betroffenen beim Erstauftreten dieser Symptome bereits über 50 Jahre alt sind. Dann könnte eine ernsthafte Erkrankung dahinter stecken. ‘
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Achtung Schmerzmittel!
Viele von Kopfweh geplagte Menschen greifen zu Schmerzmittel, die sie sich auf eigene Initiative rezeptfrei aus der Apotheke besorgen. Doch diese Mittel, die Kopfschmerzen lindern sollten, können selbst wieder Kopfschmerzen hervorrufen. Vor allem, wenn sie häufig zum Einsatz kommen. „Selbst verordnete Schmerzmittel sollte man nur vorübergehend einnehmen. Wenden Sie sich lieber an Ihren Arzt oder Ärztin, wenn Sie häufig von Kopfschmerzen geplagt werden!“, rät Neurologe Brössner.
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Wie fühlt sich Ihr Kopfweh an?
Betroffene schildern, wie sie Kopfschmerzen plagen und was sie dagegen tun …
Migräne
Christa Katerl hat bereits in ihrem vierten Lebensjahr Bekanntschaft mit Migräne gemacht. Die 50-jährige Oberösterreicherin erleidet etwa eine Migräne-Attacke pro Monat, der einseitige und heftig pulsierende Kopfschmerz dauert dann drei Tage lang. In dieser Zeit nimmt sie spezielle Medikamente (Triptane), dadurch werden die Schmerzen immerhin so erträglich, dass sie in der Zeit des Anfalls weiterhin ihrem Beruf nachgehen kann. „Ein gefährlicher Auslöser ist Stress , sagt Katerl. Und den versucht sie zu vermeiden bzw. abzubauen so gut es geht. Mit Nordic Walking und Yoga hat sie in Sachen Stressabbau gute Erfahrungen gemacht.
Spannungskopfschmerz
Seit einem Unfall vor zwei Jahren wird Christa Danko aus dem Salzburger Flachgau von sogenannten Spannungskopfschmerzen geplagt. „Mein Kopf fühlt sich an, als sei er in einen Schraubstock gespannt“, sagt sie. Es ist ein beengender, drückender Schmerz im ganzen Kopf sowie im Nacken- und Schulterbereich, der sie permanent begleitet. Je nach Tagesverfassung ist er manchmal stärker, dann wieder schwächer, bei Druck, Stress sowie Überforderung steigen die Schmerzen an. Medikamente musste sie absetzen, da sie die Arzneien nicht mehr vertragen hat. Nicht medikamentöse Therapien halfen bisher nur kurzfristig. Ruhe, Spaziergänge in der Natur, Bewegung im Wasser und Entspannungstechniken lindern die Schmerzen.
Cluster-Kopfschmerz
Einen besonders starken Kopfschmerz erleidet Alexander Zach aus Niederösterreich seit mehr als 20 Jahren: den so genannten Cluster-Kopfschmerz, das ist ein einseitiger Schmerz im Bereich einer Augenhöhle mit stechendem und schneidendem Charakter. „Ich habe im Schnitt zwei Attacken pro Tag, die ich in den Griff bekomme, wenn ich Medikamente nehme“, sagt Zach. Es sind Arzneien aus der Gruppe der Triptane, die er sich sofort bei Beginn einer Attacke in Form einer Spritze oder als Nasenspray verabreicht. „Ich habe diese Medikamente jederzeit bereit, in der Wohnung, im Auto“, sagt er. Wenn ihn der Schmerz überfällt, ist sein Organismus so überreizt, dass er ständig auf und ab gehen muss. Es ist ihm dann nicht möglich, still zu sitzen oder sich hinzulegen. Alexander Zach hat bereits große Erfahrung im Umgang mit dieser Krankheit, auch er gibt diese an andere Betroffene weiter. „Viele Patienten haben Angst vor der nächsten Attacke. Ihnen hilft es ungemein, über diese Angst mit anderen sprechen zu können“, sagt Zach.
Foto: iStock, Massonstock