Frauengesundheit, Neurologie & Psyche

Frauengesundheit

Frauen erreichen heute ein Lebensalter von durchschnittlich 83,3 Jahren, also 5,6 Jahre mehr als Männer. Einer der Gründe dafür ist, dass Frauen eher ärztliche Hilfe suchen, wenn sie sich krank fühlen. Liegen die Beschwerden im gynäkologischen Bereich, so neigen aber auch Frauen dazu, den Arztbesuch hinauszuschieben. So wird oft unnötiges Leiden verlängert oder aber eine gefährliche Krankheit riskiert, die bei Früherkennung gute Heilungschancen hätte. Der Frauenarzt Univ. Prof. Dr. René Wenzl erklärt für MEDIZIN POPULÄR, was für die weibliche Gesundheit besonders wichtig ist.

von Mag. Sabine Stehrer

Wenn es da und dort zwickt, hier und da weh tut, gehen Frauen eher zum Arzt, um sich untersuchen und behandeln zu lassen, als Männer. Bei manchen Leiden neigen sie jedoch dazu, die Beschwerden hinzunehmen, insbesondere dann, wenn sie den gynäkologischen Bereich betreffen, weiß Univ. Prof. Dr. René Wenzl, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Wien und Oberarzt an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am Wiener AKH. „Das gilt zum Beispiel für starke Regelblutungen oder Unterleibsschmerzen während der Menstruation“, sagt Wenzl. Diese Probleme sind aber nicht nur unangenehm, sie können ein Hinweis auf eine Krankheit sein, die Endometriose. Von diesem Leiden, das oft auch eine ungewollte Kinderlosigkeit mit sich bringt, sind immerhin zehn bis 15 Prozent der Frauen betroffen. Eine rechtzeitige Diagnose könnte viel Leid ersparen: Die Endometriose lässt sich nämlich gut behandeln.

Andere gynäkologische Beschwerden, bei denen Frauen besser einmal zu oft zum Arzt gehen, sind ein Ausfluss oder Pilzinfektionen. „Viele Frauen hoffen, dass die damit verbundenen Symptome von selbst vergehen und leiden viel zu lange, ehe sie sich helfen lassen“, sagt Wenzl. „Sind sie dann einmal beim Arzt, sind sie oft erleichtert darüber, wie einfach die Behandlung ist.“

Auch wenn nichts weh tut

Aber auch ganz ohne Beschwerden gilt: Frauen sollten jedes Jahr einmal zur gynäkologischen Untersuchung – immerhin dient sie der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs (550 Neuerkrankungen im Jahr) und Eierstockkrebs (750 Neuerkrankungen im Jahr). Bei der Tastuntersuchung der Brüste kann der Gynäkologe auch Anzeichen von Gewebeveränderungen entdecken und Brustkrebs (mit 4900 Neuerkrankungen der häufigste Krebs bei Frauen) früh erkennen und rechtzeitig eine mitunter lebensrettende Therapie einleiten.

Zur Früherkennung von Brustkrebs wird außerdem der regelmäßige Selbstcheck empfohlen: Einmal monatlich, idealerweise zwischen dem 5. und 10. Zyklustag, sollte jede Frau im Stehen und Liegen ihre Brüste auf Veränderungen untersuchen.

Ab 40 heißt es darüber hinaus: Zur Mammographie, bitte! Und zwar jährlich, wenn Mutter oder Schwester bereits an Brustkrebs erkrankten, und alle eineinhalb bis zwei Jahre, wenn keine erbliche Vorbelastung besteht. Dabei werden Röntgenaufnahmen von den Brüsten gemacht, indem sie zwischen zwei Platten gepresst werden. Die Prozedur ist weniger schmerzhaft, wenn sie zwischen dem 5. und 10. Zyklustag erfolgt – und dient der Früherkennung von Veränderungen des Brustgewebes, die zur Entstehung von Tumoren führen könnten. Diese Veränderungen können genauer dargestellt werden, wenn auf die Röntgenuntersuchung eine Ultraschalluntersuchung folgt, die völlig schmerzlos ist.

Vorsorge ist das Um und Auf

„Die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen ist für die Erhaltung der weiblichen Gesundheit besonders wichtig“, sagt Gynäkologe Wenzl. Denn: „Die Früherkennung erhöht die Heilungschancen von vielen Frauenkrankheiten deutlich.“ Dies gelte für die häufigsten Krebsarten bei Frauen, den Brustkrebs, den Mast- und Enddarmkrebs sowie den Lungenkrebs, aber auch für alle anderen Erkrankungen, von denen Frauen häufig – und auch häufiger als Männer – betroffen sind, wie Migräne, rheumatische Erkrankungen oder Schilddrüsenerkrankungen.

Zur umfassenden Gesundheitsvorsorge gehöre, so Wenzl weiter, natürlich ein gesunder Lebensstil. Im Detail heißt das: ausgewogene Mischkost, viel Bewegung, Abbau von Übergewicht bzw. Vermeiden von Untergewicht, Verzicht auf Alkohol- und Nikotinmissbrauch sowie viel Bewegung. Wer außerdem darauf achtet, besonders viele Lebensmittel zu sich zu nehmen, die Entzündungsreaktionen hemmen – wie Lachs, Olivenöl oder Avocados – kann damit zusätzlich vielen Frauenleiden vorbeugen.

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Ihr Vorsorgeplan

  • 20 plus: Einmal jährlich zur Vorsorgeuntersuchung zum Gynäkologen mit PAP-Abstrich und Brustuntersuchung.
  • 40 plus: Zusätzlich mindestens alle zwei Jahre zur Mammographie und einmal jährlich den Darmkrebs-Okkulttest durchführen lassen.
  • 50 plus: Zusätzlich erstmals und von nun an alle sieben bis zehn Jahre zur Darmspiegelung (Koloskopie).

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Jetzt geh’ ich zum Gynäkologen!

Was muss ich zuvor beachten?

  • Wer gynäkologische Vorerkrankungen hatte, sollte Dokumente (z. B. Arztbriefe) mitnehmen, aus denen die Krankheitsgeschichte hervorgeht.
  • Besteht ein aktuelles Problem, sollte man sich notieren, wann es anfing, wie es sich äußerte und wie der Verlauf bis zum Zeitpunkt des Arztbesuchs ausgesehen hat.
  • Bestehen Allergien oder Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Medikamenten, sollte man dies dem Arzt sagen.
  • Jedenfalls wissen sollte man, wann die letzte Monatsblutung eingesetzt hat und wie zuletzt der typische Verlauf der Menstruation war.
  • Ebenfalls gut: Zu wissen, wann die letzte Brustuntersuchung und Mammographie stattgefunden haben.


Was passiert bei der Untersuchung?

  • Zunächst werden in einem Arztgespräch der aktuelle Gesundheitszustand besprochen und Fragen aus dem gynäkologischen Bereich geklärt.
  • Anschließend nimmt die Patientin auf dem gynäkologischen Stuhl Platz, und der Arzt tastet zunächst von außen die Unterleibsorgane ab. Im Zuge der Scheidenspiegelung wird der so genannte PAP-Abstrich (benannt nach dem Erfinder George Papanicolaou, einem griechischen Arzt) gemacht. Dabei entnimmt der Arzt mit einem Spatel Zellen von der äußeren Oberfläche des Muttermunds bzw. der Oberfläche des Gebärmutterhalses und kanals und lässt sie untersuchen. Das Ergebnis wird in einem Befund dargestellt, der in Stufen von PAP I bis PAP V die Gefahr angibt, an Tumor zu erkranken.
  • Wenn nötig, werden die Unterleibsorgane noch per Ultraschall begutachtet.
  • Am Ende der gynäkologische Untersuchung stehen das Abtasten der Brüste und ein abschließendes ärztliches Gespräch.

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Die Frau in der Statistik

Wie alt wird die Frau?

  • Frauen haben derzeit eine Lebenserwartung von 83,3 Jahren.
  • Bis zum Jahr 2050 wird sie um 6,7 Jahre auf 90 Jahre steigen.

Wie geht es ihr?

  • 21 Prozent der Frauen fühlen sich nach den Ergebnissen einer österreichischen Untersuchung „sehr gesund“.

Unter welchen Beschwerden leidet sie?

  • 21 Prozent der Frauen leiden unter Rückenschmerzen,
  • 14 Prozent unter Kopfschmerzen und Migräne,
  • 13 Prozent unter Kreislaufstörungen,
  • 12 Prozent sind wetterempfindlich,
  • 12 Prozent haben Schlafstörungen.

Welcher Krebs trifft besonders viele?

  • Brustkrebs (4900 Neuerkrankungen im Jahr)
  • Dick- und Enddarmkrebs (2500 Neuerkrankungen im Jahr)
  • Lungenkrebs (1950 Neuerkrankungen im Jahr)

(Quellen: Mikrozensus Österreich 1999, Statistik Austria, Selbsthilfegruppe Darmkrebs)

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Gewichtsprobleme?

  • Nach den Ergebnissen des Österreichischen Ernährungsberichts 2008 sind vier Prozent der Frauen untergewichtig,
  • 22 Prozent haben Übergewicht und neun Prozent Adipositas.
  • 65 Prozent der Frauen haben Normalgewicht.

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Ernährung für die Frau

  • Möglichst wenig tierische, dafür aber viele pflanzliche Fette bzw. Öle verwenden wie Olivenöl (extra vergine), viele Vollkornprodukte, viel Obst und Gemüse, viel Lachs, Hering, Makrelen oder Tintenfisch essen, wenig zuckerhaltige Getränke trinken, wenig Süßigkeiten essen: Diese Ernährung hemmt Entzündungsreaktionen und beugt Unterleibserkrankungen vor, insbesondere der Endometriose.
  • Möglichst viele Lebensmittel mit Magnesium und Vitamin B auf den Speiseplan nehmen wie Sojabohnen, Sojasamen, Sonnenblumenkerne, Avocados, Bananen und Orangen. Diese beugen Muskelkrämpfen vor und daher auch krampfartigen Menstruationsschmerzen.
  • Alle Sojaprodukte, Granatäpfel, Linsen, Hirse helfen mit ihrem hohen Gehalt an Phytohormonen bei Wechselbeschwerden.
  • Käse (besonders Bergkäse, Parmesan und Mozzarella) mit ihrem hohen Gehalt an Kalzium helfen, die Knochen zu stärken – und beugen so der Osteoporose vor.
  • Fisch (alle Sorten), Hafer, Hirse und Hülsenfrüchte, auch Fleisch helfen, Eisenmangel zu beheben, an dem viele Frauen leiden.
  • Gemüse, insbesondere Brokkoli und Spinat, enthalten viel Folsäure, die dem weiblichen Hormonhaushalt gut tut.

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INTERVIEW

Grübeln, Nörgeln, Traurigsein:
Wenn Frauenseelen leiden

Die Seele der Frauen leidet häufiger als jene der Männer. Dafür gibt es eine breite Palette an Gründen, wie zum Beispiel die typisch weibliche Neigung, viel über Probleme nachzudenken, die Mehrfachbelastung durch Job, Haushalt und Familie sowie die weiblichen Hormone, die für Stimmungsschwankungen sorgen. MEDIZIN POPULÄR sprach mit Univ. Prof. Dr. Ilse Kryspin-Exner vom Institut für Klinische, Biologische und Differentielle Psychologie, über die Frauenseele in Not.

MEDIZIN POPULÄR:  Frau Prof. Kryspin-Exner, 30 Prozent aller 18- bis 65-jährigen Frauen leiden irgendwann im Leben unter psychischen Problemen, die behandlungsbedürftig sind bzw. wären, während das nur bei 21 Prozent der erwachsenen Männer der Fall ist. Was ist der Grund für den Unterschied?

Ilse Kryspin-Exner: Dafür gibt es drei Erklärungsmodelle. Das erste Modell ist das biologische, das davon ausgeht, dass die Genetik, die Hirnorganisation der Frau und die hormonelle Situation, die für Stimmungsschwankungen sorgen kann, dafür verantwortlich sind. Das zweite Erklärungsmodell ist das psychologische. Da geht man davon aus, dass Persönlichkeitsfaktoren und das Rollenverhalten der Frau die Entstehung von psychischen Problemen begünstigen. Frauen wollen die Anforderungen an sie gleichermaßen gut erfüllen, sind oft einer Mehrfachbelastung durch Beruf, Haushalt und Familie ausgesetzt und setzen sich diesbezüglich häufig unter Druck. Außerdem macht vielen Frauen das zeitspezifische weibliche Körperbewusstsein zu schaffen. Schön und schlank zu sein und immer gut auszusehen, kann belastend sein. Das dritte Erklärungsmodell ist schließlich das sozialwissenschaftliche, das aufzeigt, dass Frauen mehr in die Partnerschaft und die Pflege von Sozialbeziehungen investieren als Männer, oder glauben, diesbezüglich mehr Einsatz leisten zu müssen, und dass das für Probleme sorgt.

Das heißt, Frauen machen sich das Leben eher selber schwer?

Ja, die Männer denken weniger oder anders über solche Probleme nach, Frauen neigen mehr zum Grübeln.

Kann man dem etwas entgegensetzen und seelischem Leiden vorbeugen?

Ja, durch Einstellungsänderungen und die Umpolung von Gedanken. Statt sich den Anforderungen, die einem das Leben stellt, ausgeliefert zu fühlen, kann man diese auch als Herausforderung auffassen. Das funktioniert, wenn man achtsam sich selbst gegenüber ist, das heißt, gut mit sich selbst umgeht, sich dessen bewusst wird, wie man gern leben will, seinen Beitrag dazu leistet und dem Umfeld mitteilt, was man gerne möchte. Ein Beispiel dafür wäre, sich Zeit für ein Hobby zu nehmen und daher den Partner zu bitten, sich in Zukunft zu bestimmten Zeiten um die Kinder zu kümmern. Gut für die seelische Gesundheit ist es auch, viele Sozialkontakte zu pflegen.

Woran erkennt man selbst, dass die seelische Gesundheit verloren gegangen ist?

Hinweise darauf sind Unzufriedenheit mit dem Leben, andauerndes Grübeln und ständiges Nörgeln. Wenn man oft traurig ist und keine Zukunftsperspektive sieht, sollte man etwas unternehmen und bei einem Experten Hilfe suchen.

Gibt es typisch weibliche Symptome von behandlungsbedürftigen psychischen Problemen?

Dazu zählt, wie gesagt, das Grübeln. Frauen entwickeln aber auch – eher als Männer – Ängste, wenn sie psychisch belastet sind, und reagieren eher mit Beeinträchtigungen der Stimmung. Außerdem kommt es bei ihnen eher zu psychosomatischen Erkrankungen wie Kopf- oder Bauchschmerzen, hormonellen Unregelmäßigkeiten oder Rückenschmerzen, für die es keine körperlichen Ursachen gibt. Hinzu kommt die Neigung zum Missbrauch von Suchtmitteln. Da greifen Frauen eher zu Medikamenten als Männer und eher versteckt zu Alkohol.

Foto: iStock, dragana991

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